Zukunft braucht intelligente Städte

Immer mehr Menschen siedeln sich in urbanen Gebieten an. Damit eine hohe Lebensqualität erhalten bleibt, plädieren Experten für Veränderungen in den Bereichen Mobilität, Klimaschutz und Kommunikation.
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Projekt Wien-Mariahilfer Straße: zuerst extrem umstritten, jetzt als lebenswert empfunden. 
Projekt Wien-Mariahilfer Straße: zuerst extrem umstritten, jetzt als lebenswert empfunden. 
SN/bernhard schreglmann

Attraktivität ist anziehend: Bereits zum siebten Mal in Folge wurde Wien zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt. Immer mehr Menschen siedeln sich im städtischen Bereich an. Seit 2005 ist die Bevölkerung Wiens um etwa zehn Prozent angestiegen, mittlerweile leben knapp 1,8 Millionen Menschen in der Bundeshauptstadt. Doch nicht nur Wien wächst. Knapp 60 Prozent der österreichischen Bevölkerung leben bereits in einer Stadt. Dieser demografische Wandel führt auch zu einer Veränderung des urbanen Raums. Bei der "Urban Future Global Conference" in Graz präsentierten Stadtentwicklungsexperten ihre Konzepte, um ein qualitativ hochwertiges Leben in den Städten aufrechtzuerhalten.

"Es muss ein politisches Umdenken stattfinden", sagt Rauno Andreas Fuchs, der Geschäftsführer der Green City Projekt GmbH in München. Dazu brauche es Mut, um Entscheidungen zu treffen und den urbanen Raum zu verändern. Das Unternehmen unterstützt Städte und Kommunen, um nachhaltige Ziele in den Bereichen Mobilität, Stadtplanung und Klimaschutz zu erreichen. Der Platz in Städten wird immer enger und die Anzahl der Autos steigt. "Wir müssen die Mobilität neu durchdenken", sagt Fuchs. Der Verkehr soll sukzessive vermindert oder durch Alternativen ersetzt werden.

Bike-Sharing-Systeme, Elektrofahrzeuge oder die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln spielen dabei eine große Rolle. Das bedeutet: Parkplätze und Fahrspuren reduzieren und sichere Rad- und Gehwege schaffen. "Das Automobil ist nach wie vor eine heilige Kuh", sagt Fuchs. Jedoch hätten Autos in der Stadt eine durchschnittliche Standzeit von 23 Stunden. Dieser Platz soll gerechter verteilt und Grünflächen geschaffen werden. Dadurch würde automatisch die Lebensqualität steigen. Ebenso sollten Städte das Zu-Fuß-Gehen als Verkehrsform ernst nehmen und es in ihre Mobilitätskonzepte einplanen. In München leitet Fuchs mit seinem 20-köpfigen Team momentan ein Bundesförderprojekt für Elektrotaxis. Dabei kann eine Flotte an Elektroautos entweder als Taxi oder als Fahrgemeinschaft genutzt werden.

Für dieses Projekt wurde ein Leichtbauauto mit Akkuwechselsystem entwickelt, das nur auf den städtischen Verkehr zugeschnitten ist. "Elektromobilität spielt eine große Rolle in der Zukunft", sagt Fuchs: "Vor allem Innenstädte bieten sich dafür an." Im ländlichen Bereich müsse man allerdings noch in die Technologieforschung investieren, um Elektroautos auch dort besser nutzen zu können.


Smart-City-Initiative mit 32 österreichischen Städten

Das Ziel, nachhaltige Lebensräume im städtischen Bereich zu schaffen, haben sich auch österreichweit 32 urbane Regionen gesetzt: Mit der "Smart-City-Initiative" des Klima- und Energiefonds wurden bereits 61 Projekte gestartet. Eines davon in Hallein. Unter dem Motto "Wohnen findet Stadt" sollen ab 2017 Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen für eine bessere Lebensqualität in der Burgfriedsiedlung sorgen. Durch die hohe Verkehrsbelastung leiden die Bewohner dieser Wohnsiedlung unter einem ständigen Lärmpegel. "Eine Multifunktionsfassade mit Schallabsorption soll den Lärm minimieren", sagt der Architekt Paul Schweizer: "Benutzte Wohnräume können so wieder zur Straße ausgerichtet werden." Dieses System wird von außen an die Häuser angebracht. Das bedeutet, dass die Bewohner während der Baumaßnahmen in ihren Häusern bleiben können, nur die Fenster müssen ausgetauscht werden.

Das Projekt setzt stark auf die Kommunikation und Miteinbindung der Bevölkerung. Mittels Fragebögen und Workshops können die Projektleiter so auf die Bedürfnisse der Bewohner näher eingehen. "Der Wunsch nach Sanierung ist eindeutig vorhanden", sagt Schweizer. Es sollen barrierefreie Wohnungen für ältere Menschen entstehen.

Auch Rauno Andreas Fuchs ist der Meinung, dass die Kommunikation mit den Menschen vor Ort essenziell für die Umsetzung und Akzeptanz von Projekten ist. "Die Personen müssen gefragt und eingebunden werden, damit sie ihre Anliegen, Bedenken und Hoffnungen zum Ausdruck bringen können", sagt er. "Hierbei spielen soziale Netzwerke und Neue Medien eine zunehmende Rolle." Durch die neuen Kommunikationsformen im Internet können Informationen schneller verbreitet und den Bürgern so ein klares Bild der Kampagnen vermittelt werden.

In Graz wurde ebenso ein Smart-City-Projekt gestartet. In der Nähe des Hauptbahnhofs soll auf einem ehemaligen Industrieareal ein lebenswerter und intelligenter Stadtteil entstehen. Ziel ist es, innerhalb von zehn bis 15 Jahren auf 50 Hektar Fläche ein Wohnareal mit geringstmöglichen Emissionen und niedrigem Ressourcenverbrauch zu schaffen. Ebenso wird ein 60 Meter hoher "Science Tower" für Forschungseinrichtungen gebaut.

Dafür setzen die Entwickler neue Solarmodule und integrierte Fassadentechnologien ein. Der "Science Tower" wird mit einer doppelschaligen Fassade ausgestattet: Ähnlich wie bei der Photosynthese im Pflanzenblatt wandelt diese Licht in elektrischen Strom um. "Wir wollen ein lokales Energienetz schaffen", sagt Bertram Werle, der Stadtbaudirektor der Stadt Graz. "Der Betrieb des Stadtteils soll CO2-neutral erfolgen." Er rechnet mit der Schaffung von 1500 neuen Wohneinheiten, 1600 Arbeitsplätzen und 4000 Einwohnern in dem Gebiet. "Es wird eine völlig neue Stadt entstehen", sagt Werle: "Die Bewohner können zu Fuß ihre täglichen Bedürfnisse nachhaltig befriedigen." Kulturangebote, ein Bildungscampus und eine Straßenbahnverbindung in die Innenstadt seien ebenso geplant.

"Oft kann man sich die Veränderung einzelner Stadtteile nicht vorstellen", sagt Fuchs. Als Beispiel nennt er die Fußgängerzone in der Mariahilfer Straße in Wien, die von vielen Seiten heftig kritisiert wurde. Im Nachhinein würde sich diese Entscheidung für die Mehrheit als viel lebenswerter darstellen. "Solche Entscheidungen bräuchte es öfter, um die Lebensqualität im urbanen Raum aufrechtzuerhalten", sagt Fuchs. Er plädiert deshalb für Mut zu Veränderungen im urbanen Raum. "Die Städte brauchen das."

Dieser Artikel ist aus der gedruckten Ausgabe der "Salzburger Nachrichten".
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