Der Sonne entgegen: Viele Aspekte tragen zu Energieeffizienz bei.
| SN/bernhard schreglmann |
Der Energieverbrauch in Gebäuden ist neben der Mobilität einer der größten Brocken des europaweiten Energieverbrauchs. EU-Richt- linien und nationale Gesetze verpflichten zu einer Reduktion des Energieverbrauchs durch Steigerung der Energieeffizienz. So sind alle EU-Staaten gefordert, Mindestanforderungen für die Gesamtenergieeffizienz aller Gebäude gesetzlich festzulegen, diese anzuwenden und mittels Energieausweis nachvollziehbar zu machen. Zudem müssen ab dem Jahr 2021 alle neuen Gebäude im Niedrigstenergiestandard (dt. Übersetzung von "Nearly Zero Energy Building") errichtet werden. Doch eine genaue Definition von diesen "Nahe an null Energie verbrauchenden"-Häusern gibt es bisher nicht.
Wie können Bauherren und Planer sicher sein, dass sie die Energieeffizienz-Anforderungen auch optimal umsetzen und die energetischen Berechnungen für den Gebäude-Energieausweis korrekt durchführen, um den behördlichen Vorgaben und Kontrollen standzuhalten? Und wie können Konsumenten darauf vertrauen, dass ihr neues oder saniertes Niedrigenergie-, Niedrigstenergie- oder Plus-Energie-Gebäude auch das hält, was Planer oder Makler versprechen?
"Dafür braucht es genau definierte, einheitliche Standards, damit sich Bauherren, Planer, Fachplaner und ausführende Unternehmen richtig verstehen und vom selben Ziel reden", betont Stefan Wagmeister, Vizedirektor Standards Development und Komitee-Manager bei Austrian Standards. "Denn nicht immer ist dasselbe gemeint, wenn von energieeffizienten Gebäuden und Niedrigstenergiegebäuden geredet wird", ergänzt Univ.-Prof. Thomas Bednar vom Institut für Hochbau und Technologie an der Technischen Universität (TU) Wien.
Photovoltaik auf dem Dach macht noch kein Plus-Energie-Gebäude
"Wenn eine Photovoltaikanlage aufs Haus montiert und elektrische Energie gewonnen wird, heißt das noch lang nicht, dass das ein Plus-Energie-Gebäude ist", erklärt Bednar. Derzeit klagen auch immer wieder Konsumenten, dass die vom Planer berechneten Energiewerte ihrer energieeffizienten Häuser nicht der Realität entsprechen. "Das kommt daher, dass derzeit in Europa ausschließlich eine standardisierte Nutzung und eine gründliche Ausführung für die Berechnung des Energieverbrauchs herangezogen werden", führt Bednar aus. Wichtig sei es aber, in der Beratung auch die tatsächliche Nutzung des Gebäudes - also auch den tatsächlich benötigten Strom für Elektrogeräte - miteinzubeziehen. "Zudem beeinflusst der Gebäudenutzer auch durch sein Lüftungs-, Heiz- und Kühlverhalten die Energiebilanz maßgeblich. Solange es aber keine klaren Definitionen und Parameter zur Berechnung des Gesamtenergieverbrauchs von Gebäuden gibt, wird es Unklarheiten und Abweichungen von Messergebnisse geben", bringt Bednar die Problematik auf den Punkt.
Ein Umstand, der sich vor allem für Planer und Architekten als Stolperstein erweisen kann. Denn wenn der Bauherr mit den energetischen Werten des Gebäudes nicht zufrieden ist, weil er glaubt, dass er nur so viel Energie verbrauchen sollte, wie im Energieausweis angegeben ist, wird er klagen wollen. Rechtssicherheit gibt es aber nur durch standardisierte Nachweisverfahren. Daher seien normierte Werte als Basis zur Berechnung der Werte für den Energieausweis und auch zur Energieverbrauchsprognose unumgänglich, sagt der Experte.
Für den Energieausweis ist es eindeutig definiert, welche Werte jeder Planer als Basis heranzieht. Bei einer späteren Nutzung schwanken allein die Werte für die eingestellte (für den Bewohner behagliche) Raumtemperatur zwischen 19 und 25 Grad in den Wintermonaten und zwischen 23 und 26 Grad im Sommer. Diese Schwankungsbreite wirkt sich eklatant auf den daraus resultierenden Kühlenergie- bzw. Heizungsenergieverbrauch aus.
Mit der Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie EPBD 1 sind neue Europäische Standards - sogenannte EPB-Normen (= Energy Performance of Buildings) - entstanden. Dieses Paket dient als Grundlage für die Erstellung von Energieausweisen und wird derzeit überarbeitet, um sie mit den international gültigen ISO-Standards in Einklang zu bringen. Ziel ist es, eine größtmögliche Vergleichbarkeit innerhalb Europas betreffend die Energiekennzahlen (z. B. Primärenergiebedarf PEB, CO2-Emission) in Energieausweisen zu schaffen.
Wissenschaftlich abgesicherte Ergebnisse fließen in Standards ein
"Wichtig dabei ist es, dass durch Forschung abgesicherte Ergebnisse in die Normung einfließen", betont Bednar. Der Universitätsprofessor weiß genau, wovon er spricht. Denn als wissenschaftlicher Projektleiter haben er und sein Team mit der Sanierung des Chemie-Hochhauses der TU Wien Österreichs erstes Plus-Energie-Bürohochhaus entwickelt, das im Vorjahr eröffnet wurde und nun als Demonstrationsobjekt für optimale Energieeffizienz dient. Ein Bürohochhaus als Plus-Energie-Gebäude, das mehr Energie ins Stromnetz liefert, als für Gebäudebetrieb und Nutzung benötigt wird, zu konzipieren war eine echte Herausforderung und Premiere in Österreich.
"Wir haben in unsere Berechnungen nicht nur Lüftung, Heizung und Kühlung, sondern die gesamte Nutzung miteinbezogen, bis hin zu den Computern und der Kaffeemaschine", sagt Thomas Bednar. "Vielleicht sollte man also von einem Plus-Plus-Gebäude sprechen."
Im Jahresmittel kann die gesamte Energie, die in den acht Bürogeschoßen benötigt wird, direkt am Haus gewonnen werden. Dazu ist die wärme-, sonnenschutz- und lichttechnisch optimierte Fassade mit Österreichs größter fassadenintegrierter Photovoltaikanlage versehen.
"Das Spannende an diesem Projekt war der interdisziplinäre Planungsprozess, an dem die Fachkompetenzen aus Wissenschaft und Industrie eng zusammengearbeitet haben. Die Ergebnisse und Erkenntnisse aus diesem Projekt geben wir nun an die Gesellschaft weiter, unter anderem, indem wir sie in die Entwicklung von Standards einfließen lassen", resümiert Bednar. Für die TU Wien gilt das Projekt Plus-Energie-Bürohaus aber bereits jetzt als Standard für kommende Projekte und Bauvorhaben.