Platz ist noch in vielen Dächern

Neuer Wohnraum "ganz oben". Dachbodenausbauten schaffen Platz ohne Bodenverbrauch.
Von    /   
Das Dach als Wohnraum: hell dank vieler Fenster, großzügig und ruhig.
Das Dach als Wohnraum: hell dank vieler Fenster, großzügig und ruhig.
SN/velux

Ganz oben, da lässt es sich wohnen. Ausgebaute Dachböden gehören meist zu den architektonisch interessantesten und damit auch zu den teuersten Objekten. Gerade in Städten wie Wien mit ihren unzähligen Zinshäusern bieten die Dachböden noch eine willkommene Möglichkeit, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen, ohne noch mehr Grund und Boden zu verbrauchen. Denn diesbezüglich sind die Zahlen alarmierend: Einem Bericht der Österreichischen Raumordnungskonferenz ÖROK zufolge wurden im Zeitraum von 2001 bis 2010 bundesweit 14,5 Hektar pro Tag versiegelt. Wenngleich der Wert von 2007 bis 2010 auf 7,5 Hektar pro Tag zurückging, ist er laut Lebensministerium mit 5,2 Prozent immer noch deutlich schneller gewachsen als die Bevölkerung. Experten sehen aber nicht nur das Problem der Bodenversiegelung, sondern auch das des Platzmangels für neue Wohnbauten.

Deshalb bieten sie Lösungen an, etwa durch die effizientere Nutzung bereits vorhandener Bauten: Die Nachverdichtung ist eine probate Möglichkeit, wertvollen und lebenswerten Wohnraum zu generieren. Davon ist der Wiener Architekt Martin Rührnschopf, der auf menschengerechtes und ökologisches Bauen setzt und der schon viele Dachausbauprojekte betreut hat, überzeugt. "Ein Dachboden wurde und wird oft als Raumreserve eingeplant und als Abstellraum genutzt. Relativ einfach und preiswert kann daraus bei Bedarf zusätzlicher wertvoller Wohnraum entstehen. Meist können Licht, Sonne und der Ausblick viel besser genutzt werden und durch Dachterrassen oder begrünte Flächen wird das wichtige Bedürfnis nach Freiraum und Grün erfüllt." Das Lebensgefühl "grün und urban" liegt im Trend. Durch die Schaffung von Grünzonen im innerstädtischen Wohnraum verliere auch das eigene Auto an Notwendigkeit und Stellenwert, glaubt Rührnschopf. Mit Solarkollektoren oder Photovoltaik auf dem Dach könne außerdem eine sehr gute Energieperformance erzielt werden.

Gute Planung ist unabdingbar
Bauherren sollten bei den Planern und Architekten vor dem Ausbau auf deren Planungskompetenzen schauen. "Guter Wärmeschutz ist eine von der Bauordnung vorgegebene Selbstverständlichkeit. Darüber hinaus ist der diffussionsoffene, luftdichte, hinterlüftete und wärmebrückenfreie Aufbau des Dachausbaus wichtig", betont der Experte. Besonderer Wert muss auf die Sommertauglichkeit gelegt werden. Ganz wichtig sind auch der Sonnenschutz, ausreichend Speichermassen und Querlüftungsmöglichkeiten. "Die aktive Luftzirkulation sollte stets gegeben sein. Mit einer ökologischen Materialauswahl lässt sich ein sehr angenehmes Raumklima schaffen", erklärt Rührnschopf.

Immer mehr Städte setzen auf den Dachbodenausbau und es sind nicht nur Metropolen, die auf diese Weise neuen urbanen Wohnraum schaffen. Ein gutes Beispiel ist Wiener Neustadt: "Das Institut für örtliche Raumplanung der TU Wien hat im Auftrag der Stadt Wiener Neustadt 2009 einen Masterplan bis 2020 erstellt, der für innerstädtische Stadtviertel Strukturverdichtungen im Wohnbau vorsieht", erklärt Robert Schweighofer, der Leiter der MA 4, Referat Stadt- und Raumplanung. Das ist notwendig, weil Leben in der Stadt und auch am Stadtrand immer attraktiver wird. "Wiener Neustadt wächst beständig, zwischen 2001 und 2011 gab es ein Bevölkerungsplus von rund zehn Prozent. In den vergangenen vier Jahren hat diese Entwicklung noch an weiterer Dynamik gewonnen. Heute sind wir bei mehr als 42.000 Einwohnern", sagt Schweighofer. Neu zu bauen oder zu verdichten ist aber nicht einfach: "Eine gute Option eröffnet in diesen Fällen der Ausbau von Dachböden als urbanen und besonders attraktiven Wohnraum. Seitens der Stadtplanung sind wir durchaus interessiert, diese Reserve zu aktivieren, ohne das architektonische Erbe dabei zu vernachlässigen."

Ein Beispiel für einen stark wachsenden Ballungsraum, in dem noch viele Reserven in Form von ungenutzten Dachböden brachliegen, ist Graz. Obwohl dort Quadratmeterpreise bis zu 500 Euro für Bauland bezahlt werden, stehen allein rund 400 Dachböden, die der Stadt gehören, leer.

Dieser Artikel ist aus der gedruckten Ausgabe der "Salzburger Nachrichten".
Wollen Sie die "Salzburger Nachrichten" kostenlos testen?

Bitte stimmen Sie der Einwilligung zu.