Bauherren sind eher für ein Niedrigenergiehaus denn für ein Passivhaus zu begeistern.
| SN/bernhard schreglmann |
Das Passivhaus gilt vielen in der Baubranche als Vorreiter, wenn es um die größtmögliche Reduzierung des Heizwärmebedarfs geht. Viele Aspekte bleiben dafür auf der Strecke, zudem ist neben den baulichen Investitionen auch auf die erhöhten Betriebskosten zu schauen, die etwa die aufwendige Wohnraumbelüftung nach sich zieht. Nicht zufällig haben beispielsweise gemeinnützige Bauträger zwar ihre Erfahrungen mit Passivhäusern gesammelt, plädieren aber in der Praxis dazu, eher Niedrigenergiehäuser zu bauen, weil sozusagen die "letzten Meter" gehörig ins Geld gehen. Diesen Trend hat nun auch eine Branchenstudie bestätigt.
Laut der Expertenbefragung "Zukunft Bauen 2016" bekommt das Passivhaus beim Vergleich der Gebäudekonzepte keine Bestnoten mehr. "Das Niedrigenergiehaus liegt bei der Frage nach der Bekanntheit heuer erstmals allein an der Spitze, bei den Marktaussichten bereits seit dem Vorjahr gemeinsam mit dem Niedrigstenergiehaus", sagt Studienautor Siegfried Wirth. "Das Niedrigenergiehaus ist bekannt, vertraut, wird als risikoarm eingestuft und ist bei den Baukosten günstiger."
Bis 2015 waren Niedrigenergiehaus und Passivhaus laut Studie gleichermaßen bekannt. Letztgenanntes fiel jedoch 2016 auf das Niveau von 2011 zurück und damit auf den zweiten Platz in der Wertung. "Das ist noch kein Trend, doch der Unterschied ist signifikant, ebenso wie der Abstand zum Niedrigenergiehaus", betont der Experte.
Bei den Marktaussichten bestätige sich der Abwärtstrend für das Passivhaus. Niedrigst- und Niedrigenergiehaus dagegen bekamen zuletzt anhaltend hohe Bewertungen und liegen seit 2014 gleichauf an der Spitze. "Das Niedrigenergiehaus war in den ersten beiden Durchgängen nur an dritter Stelle und verzeichnet seither einen klaren Aufwärtstrend", erklärt Wirth. "Das Passivhaus ist seit 25 Jahren auf Erfolgskurs, aber es ist nicht das zukünftige Standardgebäude geworden. Stattdessen sind Fernwärme und lokale Energie als Ausgleich möglich."
"Das Passivhaus wird dominieren/zunehmen", diese Aussage bejahen in der Studie 58,9 Prozent. 2011 waren es 76,9 Prozent. Mit der Note 2,40 liegt es 2016 nur noch knapp vor dem Nullenergiehaus (2,48). Wirth: "Zudem sind Null- und Plusenergiehäuser angesagt." Zentraler Punkt bei der Bewertung ist das Preis-Leistungs-Verhältnis und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen privaten oder einen gemeinnützigen Bauträger handelt. "Wenn allerdings der Preis das Wichtigste ist, könnte die Qualität leiden, die Krux ist der Leistungsumfang", warnt Wirth.
Die Expertenbefragung "Zukunft Bauen" begleitet den Prozess zur Einführung der EU-Gebäuderichtlinie seit 2011. Die Vielfalt der Gebäudekonzepte war Ausgangspunkt und bleibt anhaltend wichtiges Thema, der größere Teil der Fragen behandelt jährlich wechselnde Schwerpunktthemen. Diese Schwerpunktthemen spiegeln aktuelle Brancheninteressen wider. "Baustoff-Recycling/Recycling-Baustoffe" steht bereits auf der Auswahlliste. Für 2016 geplant war die zunehmend herausfordernde "Vermeidung sommerlicher Überhitzung", wurde jedoch zugunsten der "finanzierbaren Wohnraumschaffung" zurückgestellt, weil dieses Thema gerade höchst aktuell ist und kontrovers diskutiert wird, wie Wirth erklärt.
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