Immobilienwirtschaft ist gefordert

Die Wohnungsnot wird durch die gestiegene Zahl der Flüchtlinge weiter verschärft. Eine aktuelle Studie hat den jährlichen Wohnungsbedarf erhoben und zeigt Wege, wie schnell Abhilfe geschaffen werden könnte.
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Asylquartier in der Salzburger Alpenstraße: Die Immobilienwirtschaft muss noch viel mehr Lösungen entwickeln.
Asylquartier in der Salzburger Alpenstraße: Die Immobilienwirtschaft muss noch viel mehr Lösungen entwickeln.
SN/bernhard schreglmann

Der erhöhte Zustrom von Flüchtlingen wird auch auf den heimischen Immobilienmarkt gravierende Auswirkungen haben. Denn ist ein Flüchtling einmal als Asylberechtigter anerkannt, kann er nicht nur einer Arbeit nachgehen, sondern muss auch für seinen Wohnraum sorgen. Anerkannte Flüchtlinge können nämlich gemäß gegenwärtiger Rechtslage (§ 3 AsylG) nach einer dreijährigen Aufenthaltserlaubnis eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung erhalten und nehmen somit dauerhaft am Immobilienmarkt teil. Sie fragen im Regelfall finanzierbare Mietwohnungen im unteren Preissegment nach.

"Flüchtlingskrise, integratives Wohnen sowie adäquate immobilienwirtschaftliche Lösungen - die Rolle und Bedeutung der Immobilienwirtschaft definiert sich neu", analysiert Peter Geiger. Er hat gemeinsam mit drei Kollegen vom IIÖ - Institut für Immobilienökonomie GmbH eine Studie unter dem Titel "Die Rolle der Immobilienwirtschaft in Bezug auf die aktuelle Flüchtlingssituation in Österreich" herausgebracht. Darin werden die gegenwärtigen immobilienwirtschaftlichen Herausforderungen im Zuge der Flüchtlingskrise sowie Lösungsansätze analysiert.

Der Wohnungsbedarf in Österreich liegt demnach derzeit für 2016 inklusive Zuwanderung bei zirka 69.800 Wohneinheiten, landesweit besteht dadurch eine Bedarfslücke von rund 5900 Wohneinheiten. Die Wohnbaufertigstellungen betragen im Zehn-Jahres-Durchschnitt österreichweit zirka 49.000 pro Jahr, stiegen jedoch deutlich an und notierten im Jahr 2015 bei etwa 56.800 Einheiten. "Insbesondere im Bereich des sozialen Wohnungsbaus in Ballungsräumen mit positivem Arbeitsmarktausblick zeigen sich hohe Bedarfsüberhänge, schwerpunktmäßig in der Bundeshauptstadt Wien", sagt Geiger. In anderen Segmenten und im ländlichen Raum ist die Wohnungsmarktlage entspannter. Allerdings: Eine mögliche Residenzpflicht oder ähnliche Instrumente für anerkannte Flüchtlinge in strukturschwachen Regio-nen mit Bevölkerungsrückgang und damit potenziell aktivierbarem Leerstand kollidieren jedoch mit den dort im Regelfall begrenzten Arbeitsmarktperspektiven.

Die aktuelle Wohnbauoffensive sei im Kontext der Wohnraumschaffung ein wichtiges Instrument, um Anreize für eine verstärkte Neubautätigkeit zu setzen. Geiger: "Eine Ausweitung der Förderlinien auf weitere immobilienwirtschaftliche Marktteilnehmer sowie die Aufstockung der Wohnbauförderung wären jedoch sinnvoll."

Zur Schließung der bestehenden Angebotslücke sei es wesentlich, neben einer Intensivierung der Neubautätigkeit mittels Förderungen auch über folgende Ansatzpunkte positive Effekte zu erzielen:

1) Aktivierungspotenziale in den Siedlungsgebieten identifizieren und nutzbar machen.
2) Nachverdichtungspotenziale, speziell in den angespannten Ballungsräumen, eruieren.
3) Gesteigerte Flächeneffizienz durch effektive Raumordnung generieren.
4)Baulandreserven mobilisieren, um brachliegende Liegenschaften zu minimieren und für den Markt zugänglich zu machen.
5) Regionale Unterschiede der Immobilienmarktlage bei der Zuweisung beachten.
6) Planbare (Mindest-)Wirtschaftlichkeit aus Sicht der Immobilienakteure auch aus dem Blickwinkel der regulatorischen Rahmenbedingungen sicherstellen.

Umnutzung als neuer Lösungsansatz
Lösungsansätze wie die Umnutzung von leer stehenden Gebäuden (Hotels, Büros, Handelsimmobilien etc.) oder auch die Bereitstellung von Unterkünften in zügig realisierbarer Massivmodulbauweise unterstreichen derzeit die Innovationskraft sowie Handlungsfähigkeit der österreichischen Immobilienbranche. "Einer Ghettoisierung ist dabei mittels tragfähigen sozialverträglichen Konzepten stets entgegenzuwirken sowie kulturelle ethnische Segregation zu vermeiden", empfiehlt der Experte. Aus sozialpolitischer und immobilienwirtschaftlicher Sicht könne auch die architektonische Gestaltung und Bauweise von Flüchtlingsunterkünften sowie die harmonische Einbindung in das städtebauliche Umfeld einen Katalysator für eine erfolgreiche Integration bilden.

Die Problematik wird sich vor allem kaum in den nächsten Jahren abschwächen, ganz im Gegenteil. Laut Studie ist von einem Bevölkerungsanstieg in Österreich von insgesamt 8,1 Prozent auf 9,3 Mill. Einwohner im Jahr 2030 auszugehen. Charakteristisch ist, dass die Bevölkerung weiter altert und der Anteil an erwerbstätigen Personen somit stetig sinkt. "Ohne weitere Zuwanderung würde das Erwerbspotenzial langfristig sogar auf unter 50 Prozent absinken", heißt es in der Studie. Positive Impulse für die Wirtschaftsleistung und die demografische Zusammensetzung der Bevölkerung durch Migration werden vor diesem Hintergrund von verschiedenen Experten ins Feld geführt. "Abschließend lässt sich folgern: Nur ein gemeinsames, gezieltes und abgestimmtes Handeln aller immobilienwirtschaftlichen Akteure wird das Meistern der aktuellen und zukünftigen wohnwirtschaftlichen Herausforderungen zur Folge haben können", betont Geiger.

Die Studie wurde auf Initiative des Instituts für Immobilienökonomie (IIÖ GmbH) durch die Unterstützung von Sponsoren wie der Bundesimmobiliengesellschaft mbH, der Buwog AG, der Wirtschaftskammer Österreich Fachverband Immobilien- und Vermögenstreuhänder, dem Österreichischen Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI), dem Verein zur Förderung der Qualität in der Immobilienwirtschaft(immQu) sowie der UBM Development AG erstellt.


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