Gefangen in der Armutsfalle

Wohnen wird teurer, das betrifft besonders arme Menschen. Mit einigen Maßnahmen könnte man kurzfristig, mit anderen langfristig finanzierbaren Wohnraum schaffen.
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Obdachlosigkeit droht immer mehr Menschen. 
Obdachlosigkeit droht immer mehr Menschen. 
SN/bernhard schreglmann

Das Thema "günstig wohnen" ist in Österreich seit Jahren aktuell, derzeit werden die überbordenden Bauvorschriften diskutiert. Neben den Aspekten des privaten und gemeinnützigen Marktes gibt es aber immer mehr Menschen, für die ein Dach über dem Kopf gar nicht möglich ist bzw. die an der Kippe stehen, in diesen Abgrund zu fallen.

Die Katholische Aktion (KA) Salzburg hat deshalb am Mittwoch in kleiner Runde versucht, die Realität aufzuzeigen und neue Wege zu finden, damit in einem reichen Land wie Österreich auch wirklich alle Menschen untergebracht werden können. An den Rand gedrängt werden dabei immer mehr Menschen, wie KA-Präsidentin Doris Witzmann erklärte: Alleinerziehende Mütter tappen viel zu oft in die Armutsfalle. Aber auch geschiedene Väter, die beispielsweise den Job verlieren, stehen schnell ohne Dach über dem Kopf da. Und auch Asylberechtigte haben es mit dem positiven Bescheid noch lang nicht geschafft, sich eine neue Existenz aufzubauen.

Gernot Filipp, Leiter der Landesstatistik, bildete dabei die Ist-Situation in Zahlen ab: Im Bundesland Salzburg gibt es 234.000 Hauptwohnsitzwohnungen, das sind um 20.000 mehr als vor zehn Jahren. Die durchschnittliche Haushaltsgröße beträgt 2,28 Personen. In den vergangenen zehn Jahren wurden 40.000 Fertigstellungen registriert. "Von den bestehenden Wohnungen entfällt rund ein Drittel auf Bauten, die zwischen 1945 und 1970 errichtet wurden, ein weiteres Drittel auf Bauten bis 1990", erklärte Filipp. Ein Drittel aller Hauptwohnsitze entfällt auf Einfamilienhäuser, etwas mehr als 15 Prozent auf Häuser mit ein oder zwei Wohnungen.

Salzburg ist ein Land der Eigentümer: 52,3 Prozent wohnen im eigenen Gebäude, 36 Prozent in Miete. Schlechte Qualität ist dabei kaum mehr zu finden, 94 Prozent entfallen auf die Kategorie A. "Auffällig ist, dass in der Stadt Salzburg der Anteil der Einfamilienhäuser seit 1971 sinkt, das Wohnungseigentum hingegen steigt", so Filipp, "gleichzeitig sind die Wohnungsgrößen im Durchschnitt von 75 auf 90 Quadratmeter gestiegen."

Beengte Wohnverhältnisse
Während die bisherigen Zahlen vor allem die gut Versorgten repräsentieren, entsteht für viele andere eine starke Wohnproblematik. So gilt statistisch gesehen eine Wohnung als überbelegt, wenn mehr als eine Person auf weniger als 35 Quadratmetern lebt bzw. mehr als zwei auf 35 bis 60 Quadratmetern. Auch der Zustand und die Ausstattung spielen eine Rolle. Drei Prozent der Österreicher leben in prekären Verhältnissen, elf Prozent von ihnen vor allem wegen Feuchtigkeit und Schimmel.

Laut Statistik sind sechs Prozent der Österreicher armuts- oder ausgrenzungsgefährdet, weitere zwölf Prozent materiell "depriviert", das heißt, es gibt keinen Farb-TV, nur selten Fleisch auf dem Teller etc. Gleichzeitig sind gerade in Salzburg die Wohnkosten hoch: 421 Euro Nettomiete pro Wohnung plus 130 Euro Betriebskosten. Im Vergleich: Der Österreich-Durchschnitt liegt bei der Nettomiete bei 345 Euro. In der Stadt Salzburg selbst liegen die Werte noch höher (425 Euro). Filipp: "50 Prozent aller Haushalte wenden mehr als 500 Euro pro Monat für das Wohnen auf." 22 Prozent beträgt der Anteil der Wohnkosten am gesamten Haushaltseinkommen. Zehn Prozent der Menschen müssen sogar mehr als 40 Prozent des Einkommens fürs Wohnen ausgeben. Besonders stark betroffen sind hier Alleinerzieherinnen. Subjektiv betrachtet geben 13 Prozent der Menschen in Salzburg an, dass die finanzielle Belastung für das Wohnen "stark" ist.

Und die Situation dürfte sich nicht entspannen. Denn die demografische Entwicklung für die nächsten Jahrzehnte zeigt, dass neben der Überalterung der Bevölkerung der Zuzug in den Zentralraum weiter anhalten wird. "Die Bevölkerungszahl in Salzburg wird sich von derzeit 542.000 Einwohnern bis 2026 auf 567.000 und bis 2046 auf 578.000 Personen erhöhen", erklärte der Experte. Das bedeutet, dass die Wohnsituation und wohl auch das Preisniveau in der Stadt Salzburg und den Umlandgemeinden weiter zunehmen wird.

Für Robert Buggler von der Salzburger Armutskonferenz ist klar, dass der Druck am unteren Ende der Gesellschaft dadurch noch größer wird: "Wir haben derzeit 38.000 Menschen im Überbelag, also in stark beengten Wohnverhältnissen", sagt Buggler, die Dunkelziffer könne man nur erahnen: "Das Grundproblem ist die Polarisierung zwischen Arm und Reich. Sie wird durch das Mietrecht ebenso erzeugt wie durch die Wohnbauförderung, bei der es keine klaren Ziele gibt." Bei den unteren 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung stagnierten zudem seit Jahren die Einkommen, "gleichzeitig wird das Wohnen teurer". Derzeit gebe es 1500 Obdachlose, die buchstäblich kein Dach über dem Kopf hätten: "Davon sind 400 minderjährig", weist Buggler auf eine fatale Entwicklung hin. Dazu kommen 200 bis 250 Menschen, die wohnungslos sind, also in rechtlich nicht abgesicherten Objekten leben, etwa in ehemaligen Pensionen. "Dort werden ihnen bis zu 40 Euro pro Quadratmeter für heruntergekommene Objekte abgenommen", kritisiert der Experte. Die größte Gruppe seien die "Mitwohner", also Menschen, die bei Freunden, Eltern oder irgendwo auf einer Couch schliefen. Das sind noch einmal 500 bis 600 Personen, teils ganze Familien. Und schließlich gibt's noch jene, die die Wohnkosten gerade noch "daschnaufen", aber in Wirklichkeit Schulden aufbauen, weil sich das restliche Leben nicht mehr ausgeht. "Diese Menschen sind perspektivlos", warnt Buggler.

Ausfinanzierte Wohnungen
Christian Struber, Geschäftsführer der gemeinnützigen "Salzburg Wohnbau", präsentierte einige Ansätze, wie relativ schnell finanzierbarer Wohnraum geschaffen werden könnte. "Mieter in gemeinnützigen Wohnungen haben nach 25 Jahren die Grund- und Errichtungskosten abbezahlt, nach weiteren fünf Jahren für die Instandhaltung wird die Grundmiete ab dem 31. Jahr auf 1,75 Euro netto plus zwei Euro für Erhaltung und die Betriebskosten abgesenkt. Zehn Prozent des gemeinnützigen Wohnungsbestands in Österreich, das sind 90.000 bis 100.000 Wohnungen, sind auf diese Weise ausfinanziert." Würde man ab diesem Zeitpunkt die Eintrittsrechte für Familienangehörige bis auf wenige Härtefälle abschaffen, könnten in kurzer Zeit sehr preisgünstige Wohnungen neu vergeben werden. Struber: "Das ist ganz einfach per Verordnung möglich, da braucht es nicht einmal eine Gesetzesänderung." Eine zweite Möglichkeit der Hilfe sieht er in der Delogierungsprävention. In seinem Unternehmen sei der Versuch durchgeführt worden, sofort mit jenen Menschen Kontakt aufzunehmen, die einen Mietrückstand aufweisen. "Bei einem Drittel war das ein Versehen, bei einem weiteren Drittel konnten wir dann mit Beratung etwa über Wohnbeihilfen rasch helfen. Wenn aber jemand schon zwei, drei oder mehr Monatsmieten in Rückstand gerät, ist ihm kaum noch zu helfen."

Eine weitere Möglichkeit wäre es, die Bewohnerservicestellen neu zu ordnen. "Wir müssen im Neubau sowieso ein Konzept erarbeiten, es wäre ein Leichtes, wenn dabei auch das urbane Umfeld im Umkreis von 500 Metern angeschaut würde und die sozialen Bedürfnisse der Menschen analysiert würden." Auch hier brauche es seitens der Politik nur ein bisschen guten Willen.

Positiv bewertet Struber das heuer in Salzburg neu eingeführte Modell "Wohnen auf Zeit". Es bietet für drei Jahre eine Übergangslösung, um Menschen wieder auf die Beine zu helfen. Das Modell für Bürgermeister Heinz Schaden, wonach die Stadt leer stehende private Wohnungen anmietet und an Bedürftige weitergibt, könne ebenfalls helfen, die akute Wohnungsnot zu lindern. Und noch etwas würde sich auf die Miethöhe positiv auswirken: "Auf dem Verbandstag der Gemeinnützigen wurde vorgerechnet, dass mit einem Streichen übermäßiger Bauvorschriften 300 Euro pro Quadratmeter an Errichtungskosten im sozialen Wohnbau eingespart würden."

Dieser Artikel ist aus der gedruckten Ausgabe der "Salzburger Nachrichten".
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