Der Besprechungsraum „Birkenwald“ bei Kapsch Carriercom.
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Die Arbeitswelt von morgen, das ist ein schönes Schlagwort, das seit Jahren durch die Medien und die Köpfe vieler Firmenchefs geistert. Viele haben dabei höchst ungewöhnliche Lösungen im Kopf, wie sie einige amerikanische Software-Riesen umgesetzt haben. Doch das entspricht in den meisten Fällen nicht der heimischen Realität. Trotzdem wird sich auch hierzulande in den nächsten Jahren viel ändern. "Wir haben 2006 eine neue Arbeitswelt entwickelt für den Neubau der OMV", erzählt Oliver Bertram vom Wiener Unternehmen Wide shot. Dazu gehörte ein Leitsystem für die Menschen und eine Stärkung der Identität für die Mitarbeiter.
Doch gerade Letztgenanntes ist nicht einfach durch das Aufkleben von Firmenlogos an allen möglichen und unmöglichen Orten zu realisieren. Solche "verordneten" Maßnahmen kämen bei den Mitarbeitern meistens nicht an, weiß der Experte. Bertram ist vielmehr in die Spezifika der Marke vorgedrungen und hat im Gesamtpaket Lösungen für Firmengelände, Möblierung, Farbgestaltung, Leitsysteme etc. entwickelt.
Das Konzept hatte offenbar Erfolg, später folgte das nächste Vorzeigeprojekt für Kapsch CarrierCom. Herausforderung sei gewesen, für ein Hightech entwickelndes Unternehmen geeignete Räumlichkeiten zu schaffen. Für die bestehende Mitarbeiterschaft sollten Räume kreiert werden, die neu und innovativ sind, aber zu ihren Interessen passen. Benötigt wurden Gemeinschaftsräume, Konferenzräume und Arbeitsplätze für die Mitarbeiter.
"Wir haben uns mit den Mitarbeitern zu Workshops getroffen, um ihre Wünsche zu erfahren", erzählt Bertram. Da gab es dann beispielsweise den Wunsch nach einem Strand im Büro. "Warum nicht, dachten wir, das Ganze ähnlich wie ein Bühnenbild umzusetzen?"
Insgesamt wurden 24 Konferenz- und Gemeinschaftsräume eingerichtet, die alle komplett einzigartig nach den Themen der Mitarbeiter sind. So gibt es einen "Konferenzraum in Kanada", ebenso einen Birkenwald, einen Nordseestrand mit Strandkorb, einen New-York-Raum oder eine Gentleman's Lounge nach britischem Vorbild. "Seither schießt die Akzeptanz der Mitarbeiter in den Himmel", freut sich der Architekt, der sein Konzept als "Work-U-tainment", als Wortkombination für Arbeiten (Work), Education (Lernen) und Entertainment bezeichnet.
"Wir bringen damit ,Unterhaltung' in die Arbeitswelt und reichern sie mit dem Tapetenwechsel an, den die Leute haben wollen", erzählt Bertram, "denn ein ,cooler' Schreibtisch allein ist nach zwei Jahren egal." Bei seinem Konzept gehen die Mitarbeiter dorthin, wo sie sich am wohlsten fühlen, denn es gibt ja nicht nur verschiedene Interessen, sondern auch Altersgruppen. "Eine total ungewöhnliche Umgebung fördert das freie Denken", davon ist Bertram überzeugt. Wenn man nun die eigenen Wünsche der Mitarbeiter umsetze, so entstehe auch eine völlig andere Stimmung im Unternehmen, was aber dem Konzept von "gebrandeten" Büros im Sinn der Firmenleitung entgegenlaufe.
Die Arbeitsplätze an sich sind in Bertrams Konzept "relativ konventionell, da geht es mehr um Ergonomie, Höhen, Griffweiten und technische Details". Für ihn ändert auch das Konzept "Rollcontainer" das generelle Layout der Büros nicht, und auch im Home-Office "kommen nicht die großen Würfe".
Die derzeit bei vielen Chefs so beliebten Großraumbüros betrachtet Bertram ebenfalls distanziert: Neben der akustischen Beeinträchtigung drohe der Verlust der Privatsphäre und auch eine geringere Konzept fähigkeit. "Außerdem kann ein Großraumbüro auch einen Mangel an Wertschätzung ausdrücken, wenn der Mitarbeiter auf Reihe 2, Tisch 10 reduziert wird."
Der Schlüssel in Work-U-tainment sei einerseits die Integration der Mitarbeiter. Andererseits muss man ihnen jene Veränderungen geben, die sie sich wünschen. Bei Büros gebe es vor allem drei Orte: Jenen, um fokussiert zu arbeiten, jenen für den Austausch und Orte für die Zusammenarbeit, also Konferenzräume. "In meinem Konzept können sich Mitarbeiter spontan und unkontrolliert entscheiden, wo und wie sie arbeiten wollen", sagt Bertram, "Unternehmen müssen ihre Mitarbeiter deren Weg gehen und sie arbeiten lassen, und zwar frei von Regulatorien."