Einzelhandel: Die Lage zählt

Der Einzelhandel boomt nur in besten Lagen. Anderswo sind die Mieten rückläufig, der Onlinehandel verstärkt die Konkurrenz zusätzlich.
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Toplagen in Einkaufsstraßen und Shoppingcentern sind europaweit gefragt.
Toplagen in Einkaufsstraßen und Shoppingcentern sind europaweit gefragt.
SN/bernhard schreglmann

Der Trend zur Konzentration auf erstklassige Einkaufsstraßen und ausgewählte, frequenzstarke Einkaufszentren hat sich in Österreich auch im ersten Halbjahr 2017 weiter fortgesetzt. In diesen Lagen konnte das Mietniveau durchwegs gehalten werden und die angebotenen Flächen sind fast vollständig vermietet. Das zeigt ein Marktbericht von EHL Immobilien.

Im breiteren Markt sind hingegen Preisrückgänge und steigende Leerstände zu verzeichnen. Die Nachfrageschwäche seitens der etablierten, großen Ketten kann demnach durch Newcomer und den unverändert gerade in Wien starken Lebensmittelsektor nicht ausgeglichen werden.

In der Gesamtbetrachtung blieb die Situation des österreichischen Einzelhandelsimmobilienmarkts im ersten Halbjahr daher nach wie vor herausfordernd. Gründe dafür sind laut EHL die Verschiebung der Handelsumsätze in Richtung online sowie ein geändertes Konsumverhalten mit höheren Ausgaben für Gastronomie, Freizeit oder Reisen zulasten des klassischen Einzelhandels. Als Konsequenz daraus sinkt erstmals seit einigen Jahren die Einzelhandelsfläche pro Kopf.

Im ersten Halbjahr 2017 wurden bei Nachvermietungen tendenziell sinkende Mieten verzeichnet. Eine Ausnahme stellen wenige Luxuslagen dar. Im wichtigsten Einzelhandelsmarkt, in Wien, sind das die Luxusmeile Kohlmarkt mit dem Goldenen Quartier, der Graben, Teile der Tuchlauben und die Bognergasse. Hier werden aktuell Spitzenmieten von bis zu 400 Euro pro Quadratmeter und in Einzelfällen auch noch mehr erzielt. Von dieser Sonderentwicklung profitieren auch angrenzende Straßenzüge wie etwa Am Hof, wo für kleinere Geschäftslokale beachtliche 80 Euro pro Quadratmeter erzielt werden konnten.

Allgemein ist die Entwicklung aber für die EHL-Experten unbefriedigend. Das gilt nicht nur für Einkaufsstraßen mit lokaler Bedeutung, die schon traditionelle Sorgenkinder sind, sondern auch für Einkaufsstraßen, die noch vor wenigen Jahren ausgezeichnet funktionierten. Beispiel dafür ist unter anderem die Wollzeile in Wien, in der bereits fünf großflächige Leerstände verzeichnet werden, obwohl die Mietforderungen zuletzt deutlich reduziert worden waren.

Außerdem setzen die starken Wachstumsraten im Onlinehandel dem stationären Einzelhandel weiter zu. Aktuell werden in Österreich bereits 12,2 Prozent der Konsumausgaben im Internet getätigt. Dies ist der zweithöchste Wert in Europa. Insbesondere Elektronik, Bücher, Mode und Schuhe waren von dieser Entwicklung im ersten Halbjahr stark betroffen.

Mehrere Einzelhändler setzen daher ihre Strategie der Filialnetzverkleinerung fort, wie zum Beispiel die Leder-&-Schuh-Gruppe. Mit dem Modehändler Basler, dem Deko-Anbieter Butlers und Vögele Shoes mussten zudem erneut mehrere bedeutende Ketten Insolvenz anmelden. Zu den Gewinnern zählt eindeutig die Gastronomie. So wird voraussichtlich 2017 der durchschnittliche österreichische Haushalt mit über 1000 Euro pro Kopf erstmalig mehr Geld für Gastronomie als für Bekleidung und Schuhe ausgeben.

Die Entwicklung wird sich auch in der zweiten Jahreshälfte fortsetzen. Es werden kaum neue Flächen entstehen, in schwächeren städtischen Lagen und auf dem Land werden zunehmend Flächen vom Markt genommen werden müssen. Das Mieterinteresse wird sich weiterhin auf Toplagen bzw. Einkaufszentren konzentrieren.


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