Silvio Kirchmair: „Der stationäre Handel wird überleben.“
| SN/bernhard schreglmann |
Amazon und Zalando sind in aller Munde. Doch wie geht es mit dem stationären Einzelhandel weiter? Das beschäftigt nicht nur Immobilienmakler, Städteplaner und Kommunalpolitiker, sondern auch Wirtschaftsforscher. Silvio Kirchmair, Chef der Amstettner Umdasch Shopfitting Group, zeigte diese Woche auf der "EuroShop" in Düsseldorf, wie die Zukunft des Handels aussehen könnte.
Wird der stationäre Handel überleben?
Silvio Kirchmair: Definitiv! Aber er wird sich deutlich verändern. Wir gehen davon aus, dass das Handelsvolumen zu 75 Prozent auf den stationären Handel und zu 25 Prozent auf den Internethandel aufgeteilt wird. Das ist natürlich ein Durchschnittswert, es kommt auf die Branche an. Beim Lebensmittelhandel wird der Internetanteil wohl bei zehn Prozent liegen, im Buch- und Elektronikbereich eher bei mehr als 80 Prozent. Das hat vor allem zwei Gründe: Ohne die Handelsfirmen wird es die Städte nicht mehr geben. Es wird also die öffentliche Hand Geld ausgeben, um sie zu schützen. Auf der anderen Seite ist der Mensch ein Entdecker. Er will und muss raus und Einkaufen wird immer mehr zu einer Freizeitbetätigung.
Was können Sie als Ladenbauer dazu beitragen?
Wir sind Teil des Transformationsprozesses und unterstützen unsere Kunden dabei. Vor allem wird es zu einer Vermischung zwischen analogem und digitalem Angebot kommen. Allerdings stehen wir bei dieser Entwicklung noch ganz am Anfang, der Stein der Weisen ist diesbezüglich noch nicht gefunden, es gibt viele erste Schritte. Technologisch ist grundsätzlich viel möglich. Das hat auch viel mit Psychologie zu tun, damit das Geschäft der Zukunft möglichst produktiv agieren kann.
Wie wird ein Geschäftslokal im Jahr 2017 denn ausschauen?
Es gibt einige Grundregeln im Ladenbau, etwa, dass man keine hohen Regale einbaut, weil die Menschen sonst den Überblick verlieren. Das reduziert die Kaufbereitschaft und damit den Umsatz. Ob ein Markt "rechtsdrehend" oder "linksdrehend" sein soll, diese Frage ist nicht entschieden. Klar ist, dass die Menschen eher mit der rechten Hand nach der Ware greifen. Wir werden daran gemessen, ob nach einem Umbau der Flächenumsatz steigt oder nicht. Auch die Beleuchtung spielt eine große Rolle. Grundsätzlich gilt, dass Diskonter heller sind, höherwertige Läden dunkler. Vier Punkte machen einen erfolgreichen Händler aus: Sortiment, Personal, Lage und Anordnung. Den letzten Punkt können wir aktiv beeinflussen. Passt die Ausstattung zur Positionierung des Geschäfts? Je billiger die Ware ist, desto höher ist der Warendruck. Wir müssen die Kunden dabei aktiv beraten. Grundsätzlich werden die Geschäfte in zehn Jahren kleiner als heute sein. Der Modebereich wird mehr mit Gastronomie vermischt, so wie der Gastroanteil in den Einkaufszentren generell steigen wird. Die Läden werden ein Grundsortiment an Ort und Stelle haben, das zusätzlich elektronisch erweitert wird. Man kann also beispielsweise ein Hemd anschauen und probieren, sich aber dann digital bestimmte Farben oder Muster aussuchen. Dadurch müssen nicht alle Modelle in allen Filialen auf Lager liegen. Allerdings werden bestimmte Flagship-Stores, wie etwa im Salzburger Europark, mehr Fläche zur Präsentation brauchen. Aber generell sinken weltweit die Geschäftsflächen.
Wer sind denn Ihre Kunden?
Unsere Kunden sind breit gestreut, wir sind ja weltweit tätig. Da sind auf der einen Seite große Konzerne wie McDonald's oder VW, wir betreuen auf der anderen Seite aber auch den "Platzhirsch" in einer Bezirkshauptstadt. Unser Vorteil ist, dass wir global aufgestellt sind. Der weltweite Ladenbaumarkt beträgt etwa 25 Mrd. Euro, wir haben einen Anteil von einem Prozent daran, gehören aber trotzdem zu den zehn Größten der Welt. Der Weltmarktführer hat drei Prozent Marktanteil, da wird es in nächster Zeit sicher noch zu Konzentrationen kommen.
Welche Potenziale haben Sie noch?
Bei einem Prozent Marktanteil ist noch viel Platz. Der Lebensmittelhandel macht uns viel Freude, weil durch den Kampf Diskonter gegen Vollsortimenter massiv investiert wurde und wird. Wir wachsen hier um durchschnittlich 20 Prozent im Jahr. In unserem Bereich Premium Retail, der von Großbritannien aus gesteuert wird und sich auf das Luxussegment konzentriert, könnte es mehr sein. Der klassische Massenmodemarkt war lang unser Sorgenkind, der Markt hat sich seit 2008 halbiert. Wir haben deshalb neue Felder erschlossen, etwa Showrooms, Technologiefirmen, die Systemgastronomie oder Banken. Ein großer Wachstumsmarkt, zugegeben von einem noch kleinen Volumen aus, ist der Bereich Digital Retail. Da braucht es besondere Experten über die klassischen Key-Accounter hinaus. Deshalb haben wir dafür eine eigene Division gegründet.