Den Kreislauf schließen

"Cradle-to-Cradle" ist das neue Motto der Umweltbewegten. Jetzt steigen erste Hersteller aus dem Wohnbereich auf dieses nachhaltige System um.
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Einrichten und ausstatten mit nachhaltig produzierten Materialien.
Einrichten und ausstatten mit nachhaltig produzierten Materialien.
SN/bauwerk

Cradle-to-Cradle", also sinngemäß übersetzt "von der Wiege zur Wiege", so lautet ein neues Zauberwort für nachhaltiges Wirtschaften. Unter demselben Namen gibt es inzwischen auch ein Zertifikat, das ein Wirtschaften im Kreislauf bestätigt.

Gerade umweltbewegte Menschen wollen mehr tun, als "bloß" schädigende Stoffe zu minimieren, sie wollen sie ganz vermeiden. Das klingt einfacher, als es ist, vor allem, wenn es sich nicht um Artikel für Freaks, sondern um Massenware handelt. Ansgar Igelbrink, Präsident des Schweizer Parkettbodenherstellers Bauwerk, hat jüngst in Salzburg präsentiert, wie sich sein Unternehmen auf diese Cradle-to-Cradle-Philosophie eingelassen hat und was dabei herausgekommen ist. "Gesundheit ist uns deshalb wichtig, weil sich der Mensch ja am längsten in Wohnräumen aufhält", erklärt Igelbrink, "Holz ist ja an sich ein Naturprodukt, allerdings kommen dann Faktoren wie Kleber oder Lacke dazu." Cradle-to-Cradle sei der Versuch, das Produkt "rundum" zu machen, aber es sei auch extrem viel Arbeit gewesen, dies in der Praxis umzusetzen. "Wir sind preislich nicht die günstigsten, weil wir hochwertige Qualität liefern wollen, und da spielt auch das Thema Gesundheit eine große Rolle", sagt der Bauwerk-Chef.

Ein Parkettboden halte rund 40 bis 80 Jahre, erst dann stelle sich die Frage, was damit passiere, wenn man ihn herausnehme. "Wir verkleben Parkett, auch aus Gründen des Schallschutzes", erklärt Igelbrink. Nun habe man eine spezielle Matte entwickelt, die zwischen Parkett und Boden die gewünschten Eigenschaften garantiere, die es aber auch ermögliche, den Boden zerstörungsfrei wieder auszubauen. "Die Reste der Matte werden recycelt und wieder zu Matte verarbeitet", so der Experte. Die Parkettbretter können im Werk abgeschliffen und wieder als Parkett verlegt werden. Der Schleifstaub wird übrigens wieder in die Lacke eingebracht. Auch hier werde also nicht "Downcycling", sondern echte Wiederverwertung betrieben: Parkett bleibt Parkett, Matte bleibt Matte und Lack bleibt Lack.

Cradle-to-Cradle sei mit dieser Maßnahme allein aber noch nicht erfüllt, ergänzt Albin Källin von EPEA Switzerland, einem von nur 15 Prüfinstituten weltweit, die das Zertifikat vergeben dürfen, "Cradle-to-Cradle bedeutet in erster Linie, anders zu denken, also in Kreisläufen zu denken." Er habe deshalb seine Probleme mit Ökolabels, weil es dort immer nur um die Einhaltung von Grenzwerten gehe. "Allein im Textilbereich gibt es 450 Ökolabels, das ist ein Dschungel." Cradle-to-Cradle versuche hingegen, ein Standard für alle Industrien zu sein. "Es geht also nicht darum, den Grenzwert für Formaldehyd einzuhalten, sondern es überhaupt nicht zu verwenden", erklärt Källin, "wir haben in Joghurtbechern in Deutschland 150 Substanzen gefunden."

Kreislaufdenken beinhalte für ihn daher mehrere Punkte: Die Verwendung von 100 Prozent erneuerbarer Energien, ein effektives CO2-Management, sauberes Wasser als Abwasser und auch soziale Fairness. "Darunter verstehen wir, dass ein Produkt oder eine Firma eine positive Wirkung auf die Gesellschaft erzeugt." Erst dann könne man am Beginn der fünfstufigen Cradle-to-Cradle-Zertifizierung einsteigen.

Källin räumte ein, dass die Idee schon 1980 vom deutschen Chemiker Michael Braungart und dem US-Architekten William McDonough entwickelt wurde. Er sei aber zuversichtlich, dass der große Durchbruch bald komme. "Da gibt es einerseits das EU-Ziel der Kreislaufwirtschaft, andererseits wird man in der Wirtschaft irgendwann sagen: Es geht nicht mehr anders!"

Rahim Taghizadegan, Leiter des Scholarium Wien, ist sich da nicht so sicher. "Ich bin immer skeptisch mit Zertifikaten. Da geht es immer mehr um Zertifikate als um Erkenntnis." Gerade Umweltthemen hätten das Problem, dass sie schnell in Übertreibungen endeten. "Das liegt einerseits an der Umweltpanik, andererseits an einem gewissen Paternalismus." Die aktuellen Beispiele Dämmung und Recycling zeigten, dass diese Themen zwar plausibel seien, aber übertrieben worden seien, was zu einer Gegenreaktion geführt habe.

Gerade bei Produkten stelle sich nicht nur die Frage: Was ist giftig? "Ein ,bewährter Schadstoff' ist in kleinen Dosen dann oft besser als ein Ersatzstoff, dessen Eigenschaften und Folgewirkungen man gar nicht kennt", sagt Taghizadegan. Dennoch begrüßt er Initiativen wie jene von Bauwerk, räumt allerdings ein, dass die Grundlage für ein solches System ein "hohes Wohlstandsniveau" sei.


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