Auf in die 2000-Watt-Gesellschaft

Wer über Energie nachdenkt, muss sich zuerst einmal mit Bauen und Wohnen beschäftigen. Holz könnte in diesen Betrachtungen eine wichtige Rolle spielen. Und: Einfamilienhäuser sind kein Zukunftsmodell.
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Das Palais de l'Equilibre, Neuenburg, war ein Temporärbau aus Holz zur Schweizer Landesausstellung 2002 und dient heute als Besucherzentrum des CERN in Genf.
Das Palais de l'Equilibre, Neuenburg, war ein Temporärbau aus Holz zur Schweizer Landesausstellung 2002 und dient heute als Besucherzentrum des CERN in Genf.
SN/hannes henz, zürich/lignum

Das Schlagwort von der "2000-Watt-Gesellschaft" ist in der Schweiz seit Jahren etabliert. Damit wird sozusagen der laufende Energieverbrauch eines Menschen definiert. Es handelt sich also um die Dauerleistung in Watt pro Person. Derzeit liegt dieser Wert in der Schweiz bei 5000 Watt, in den USA gar bei mehr als 10.000 Watt. Um dem Ziel der 2000 Watt näher zu kommen, ist also Energiesparen in allen Bereichen des Lebens angesagt, vor allem beim Wohnen. "Die 2000-Watt-Gesellschaft ist quasi die Metapher für Effizienz, Konsistenz und Suffizienz", sagte Christoph Starck von Lignum Schweiz bei dem Symposium "Fokus Holzbau" von Proholz und Architektenkammer in Salzburg. Lignum ist der Dachverband der Schweizer Wald- und Holzwirtschaft. Unter Konsistenz versteht Starck vor allem mehr erneuerbare Energien, unter Suffizienz mehr persönliche Bescheidenheit. "Die 2000-Watt-Gesellschaft umfasst alles, vom Auto-stehen-Lassen bis zum persönlichen Konsum", erklärt der Experte. Beim Bauen gehe es neben der Energie für die Errichtung auch um den Lebenszyklus des Gebäudes und die Optimierung des laufenden Betriebs. Starck: "Wir haben dafür einen Zielpfad entwickelt und schauen auf die Energie beim Bau, beim Betrieb und bei der Mobilität." Wenn es konkret um die 2000 Watt gehe, komme man beim Bauen um Holz zumindest zum Teil nicht herum. Und Energie ist auch nicht der alleinige Faktor bei der Betrachtung. "Wir haben fünf Kriterien: Sicherheit, Technologie, Ökonomie, Ökologie und Energie sowie Architektur und Ästhetik." Beim Brandschutz habe man im Holzbau den Durchbruch geschafft, weshalb immer mehr mehrgeschoßige Wohnbauten aus Holz gebaut werden. Starck: "Wenn man die Leute fragt, wie sie sich ein Niedrigenergiehaus vorstellen, dann ,sehen' fast alle ein Holzhaus vor sich."

Mit diesem Material könne man auch das Thema "graue Energie" in den Griff bekommen. Darunter versteht man jene Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Verkauf und Entsorgung eines Produkts benötigt wird. Wird sie nicht berücksichtigt, stimmen die Energiebilanzen nicht.

Deshalb fordert Starck Bauträger, Architekten etc. nachdrücklich auf, in Lebenszyklen zu denken. "Das Ziel kann nicht sein, möglichst schnell und günstig ein Gebäude zu errichten und es dann teuer zu verkaufen", kritisiert der Experte eine weitverbreitete Praxis.

Deshalb werde es auch allgemein ein Umdenken brauchen. "Das Einfamilienhaus hat in der Schweiz keine Zukunft", analysiert Starck. Denn das Land und damit der Baugrund werden knapper: "Wir müssen viel mehr verdichten und das nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land." Mehrfamilienhäuser aus Holz würden den Anforderungen schon sehr nahe kommen, wobei man ihnen den Baustoff Holz ja gar nicht ansehen muss. Wie sehr Holz wieder in Erscheinung trete, sehe man auch daran, dass sogenannte Stararchitekten inzwischen auf diesen Baustoff setzten. Das Architektenduo Herzog/de Meuron, das gerade die Elbphilharmonie in Hamburg fertiggestellt hat, hat beispielsweise eine spektakuläre "Berghütte" als Holzbau errichtet. Die Technik hat sich inzwischen so weiterentwickelt, dass immer höhere Bauten möglich sind. Waren Holzbauten etwa 1997 noch maximal viergeschoßig, wurden in der Schweiz 2006 bereits sechs Stockwerke errichtet, 2010 wurde in Zürich das erste Gebäude für die 2000-Watt-Gesellschaft errichtet. Und Wohnbaugenossenschaften errichten inzwischen Gebäude, die sechs Stockwerke über der Sockelzone aufweisen. Die nächsten Schritte in die Höhe macht der Holzbau derzeit in Vancouver in Kanada sowie in Wien. "Planungen gibt es schon für mehr als 15 Geschoße", erklärte Starck.

Doch für das Bauen der Zukunft braucht es noch etwas anderes, "Ordnung im Raum". Architekt Heinz Plöderl, Sektionsvorsitzender der Architekten- und Ziviltechnikerkammer, betont: "Das ist im Wesentlichen gesellschaftspolitisches Interesse." Die Baukultur sei ein Spiegelbild der Gesellschaft. "Es sollte viel mehr über eine gemeinschaftliche Raumordnung diskutiert werden", regt Plöderl an. Auch er geht davon aus, dass das Einfamilienhaus in Zukunft im Neubau verschwinden werde. "Wir müssen ganz dringend über Dichte reden und wir müssen auch die Sockelzonen berücksichtigen." Er sieht die Erdgeschoße nicht nur als Platz für Handelskonzerne. "Es gibt auch eine gemeinschaftliche andere Nutzung." Und es brauche viel mehr Nutzungsflexibilität. "Wir müssen unsere Lebensräume anders gestalten, vom öffentlichen Raum über den halböffentlichen bis hin zum privaten Raum." Nur so könne man beispielsweise einfachen, bezahlbaren und innovativen Wohnraum schaffen. "Wir müssen auch auf dem Land vom Einfami lienhausdenken abrücken und über Verdichtung nachdenken." Was den Baustoff Holz angehe, so sei er für diese Zukunft gut geeignet. "Es gibt drei Vorurteile zum Holz: Es brennt, schwimmt und fault. Dabei hat Holz auch Atmosphäre, Emotion, Identität, es riecht gut, ist innovativ und ultramodern. Jeder greift es auch gern an." Es habe also viele Vorzüge, die über rein technische Betrachtungen hinausgehen und für eine neue Baukultur stehen. Plöderl: "Wir müssen endlich wieder lernen, Städte und Lebensräume zu bauen."


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