Hecken, Sträucher, Bäume, Schatten: Darüber streiten Nachbarn am meisten.
| SN/bernhard schreglmann |
Herabfallende Äste vom Nachbarsbaum, die das liebevoll angelegte Blumenbeet zerdrücken. Lärmende Kinder, die das Nachmittagsschläfchen stören. Penetranter Geruch vom allabendlichen Grillgelage jenseits der Hecke oder der Hund von nebenan, der sich vorzugsweise nicht am eigenen Gartentürl erleichert. Wer Nachbarn hat - und wer hat das nicht? - kennt das eine oder andere Dilemma, was diese mitunter enge räumliche Beziehung mit sich bringen kann.
Denn egal ob Hauseigentümer, Wohnungsmieter oder Grundbesitzer - die Auslöser für Nachbarschaftsstreitigkeiten sind immer die gleichen: Einer tut etwas, was dem anderen missfällt. Richter und Rechtsanwälte können ein Lied davon singen, bestätigt Lukas Wolff, Salzburger Obmann des Haus- und Grundbesitzerbunds, im Rahmen der SN-Immobilienvortragsreihe zum Thema Nachbarschaftskonflikte.
"Nachbarschaftsstreitigkeiten sind unendlich vielfältig. Aber eines sind sie meistens: erbittert und langwierig. Denn was nützt einem das schönste Haus, wenn einem die Nachbarn das Leben zur Hölle machen? Ein altes Sprichwort besagt: ,Kein Mensch kann in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.' Und das ist leider wirklich so", umreißt Wolff das Grundproblem. Sein Tipp: Nachsichtig sein und der guten Nachbarschaft zuliebe auch mal fünf gerade sein lassen. "Auch wenn es manchmal schwer sein mag: Drücken Sie lieber ab und zu ein Auge zu, bevor Sie Streitereien heraufbeschwören, die womöglich über mehrere Jahre oder Jahrzehnte andauern und die Lebensfreude mitunter massiv trüben können."
Die meisten Nachbarschaftsstreitigkeiten drehen sich laut dem Experten um Bäume, Sträucher und Schatten, "das sind die Klassiker". Diese Themen sorgen auch deshalb immer wieder für Zündstoff zwischen Nachbarn, weil jeder andere Vorstellungen davon hat, was zumutbar ist und was nicht. "Die schlechte Nachricht ist, dass der Zustand ,unzumutbare Beeinträchtigung' vor Gericht nur sehr schwer zu erreichen ist. Da muss wirklich etwas sehr im Argen liegen, dass es vor Gericht als unzumutbar angesehen wird", erklärt Wolff.
Er erzählt von einem Fall, bei dem 55 jeweils 22 Meter hohe Fichten dafür gesorgt haben, dass im benachbarten Bungalow zwischen 12 und 14 Uhr (je nach Jahreszeit einmal mehr, einmal weniger) künstliches Licht eingeschaltet werden musste. Das Urteil des Gerichts: Das ist im Rahmen des Zumutbaren. Dass das Verhältnis zwischen den Parteien in diesem Fall dennoch sehr angespannt sei, sei verständlich. "Ich selbst habe es noch nie erlebt, dass ein Gericht in einer solchen Angelegenheit zugunsten des Klägers entschieden hat", zeigt der Experte die oft aussichtslose Lage auf. Denn nur wenn die Beeinträchtigung durch den vom Nachbarn verursachten Schatten oder der Schmutz ein wirklich unzumutbares Ausmaß erreicht hätten, könne von diesem verlangt werden, für die Beseitigung zu sorgen und die Kosten dafür zu tragen. "Wenn lediglich Zweige oder Blätter vom Baum des Nachbarn herunterfallen, ist das zwar ärgerlich. Aber das muss man hinnehmen", weiß Wolff. Im Rahmen des Selbsthilferechts dürfen jedoch beispielsweise Äste, die vom Nachbargrundstück auf das eigene herüberhängen, auf eigene Kosten gestutzt werden. "Dieser Rückschnitt muss jedoch sachgerecht, substanzschonend, maßvoll und saisonal verträglich erfolgen", betont Wolff, "wichtig ist, dass die Pflanze durch den Eingriff in ihrer weiteren Entwicklung nicht gestört wird." Wichtiges Detail: Das Grundstück des Nachbarn darf nie ungefragt betreten werden, auch nicht bei der Ausübung des Selbsthilferechts. "Wer einfach auf einen fremden Grund geht und dort Bäume umschneidet, weil diese im Weg stehen, macht sich natürlich strafbar", erläutert der Rechtsanwalt. Genauso wenig darf ein Nachbar dem anderen verbieten, gewisse Bäume oder Sträucher zu pflanzen. Wenn überhaupt, kann dies nur durch den Bebauungsplan vorgeschrieben werden. Hier empfiehlt Wolff, bei der zuständigen Gemeinde oder beim Magistrat nachzufragen.
Zu einer Kostenbeteiligung des Nachbarn kommt es erst, wenn durch Pflanzen Schaden etwa am Nachbarhaus entsteht: "Wenn also beispielsweise Baumwurzeln unter dem Zaun aufs Nachbargrundstück wuchern und drohen, dort Schaden anzurichten, muss der Baumbesitzer 50 Prozent der Kosten tragen."
Was ungewünschten Lärm und Gerüche angeht, empfiehlt Wolff ebenfalls, eine gewisse Toleranz an den Tag zu legen. Wenn der Lärmpegel vom Nachbargrundstück jedoch über das normale ortsübliche Maß hinausgeht, sollte das freundliche Gespräch mit den Nachbarn gesucht werden. "Auch hier treffen oft unterschiedliche Ansichten aufeinander. Die Parteien sollten dennoch versuchen, gemeinsam im Dialog eine Lösung zu finden", rät Wolff.
Bevor es zu einer Klage in Nachbarschaftsstreitigkeiten kommen kann, muss ein sogenannter außergerichtlicher Schlichtungsversuch, z. B. durch die Salzburger Schlichtungsstelle, erfolgen. "Dieses vorgeschaltete Verfahren soll versuchen, eine Einigung für die Parteien zu erzielen und den Streit beizulegen", erklärt Wolff.