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Zukunftschance nachhaltiges Bauen

An der TU Graz wurde vor Kurzem die "Sustainable Built Environment D-A-CH Conference 2019" abgehalten. Über die Ergebnisse spricht Alexander Passer im Sn-Interview.

Gebäude sind für 36 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich.
Gebäude sind für 36 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich.

Alexander Passer gilt als einer der führenden Experten im Bereich des nachhaltigen Bauens. Über die Ziele und Ergebnisse der SBE-2019-Konferenz in Graz hat er mit den "Salzburger Nachrichten" gesprochen.

Welche Ziele verfolgte die SBE -Konferenz 2019? Alexander Passer: Die SBE 19 Graz - die Europäische Konferenz zu den Themen der Nachhaltigkeit im Bau- und Immobilienbereich sowie der nachhaltigen Quartiers- und Stadtentwicklung - fand von 11. bis 14. September an der TU Graz statt. Sie wurde erstmals im D-A-CH-Format von der TU Graz gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU Wien), dem Karlsruher Institut für Technologie und der ETH Zürich organisiert und durchgeführt und ist Teil einer Reihe, die der Vorbereitung zur Weltkonferenz WSBE20 zum nachhaltigen Bauen in Göteborg dient. Im Fokus stand der wissenschaftliche Austausch darüber, wie die gebaute Umwelt zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen kann.

Welche Akteure waren an der Konferenz beteiligt? Wissenschafter ebenso wie Vertreter der Bau- und Immobilienwirtschaft, der bauproduktherstellenden Industrie, der Politik und Interessenvertretungen haben an der Konferenz in Graz teilgenommen.

Das Thema "nachhaltiges Bauen" ist ein weites Feld. Welche Themen bildeten die Schwerpunkte der Konferenz? Die Teilnehmer der Konferenz diskutierten in dieser Woche, wie beim Planen, Bauen und Betreiben von Gebäuden die Emissionen von Treibhausgasen reduziert, natürliche Ressourcen geschont und Risiken für die Gesundheit und die lokale Umwelt vermieden werden können. Vorgestellt wurden auch neue Planungs- und Bewertungshilfsmittel, innovative Bauprodukte und neue Geschäftsmodelle.

Was bedeutet Nachhaltigkeit" konkret für den Baubereich? Der Nachhaltigkeit, das heißt der Anwendung der Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung, kommt neben ihrer ökonomischen, gesellschaftlichen und kulturellen Bedeutung im Bauwesen aufgrund der enormen Stoff- bzw. Energieströme und den damit verbundenen Umweltwirkungen eine Schlüsselrolle zu. "Nachhaltiges Bauen" bedeutet vereinfacht ausgedrückt, Bauwerke ganzheitlich aus der Lebenszyklusperspektive derart zu planen, zu errichten und zu betreiben, dass diese ein Kapital für künftige Generationen und keine Altlast darstellen.

Gerade was den Bereich des ökologischen Bauens betrifft , hat man den Eindruck, dass sich viel in diese Richtung bewegt. Durch den aktuellen Trend zu immer energieeffizienteren Gebäuden rücken - neben Lebenszykluskosten und anderen Aspekten hinsichtlich der Optimierung - die Bauprodukte und deren "graue" Energie bzw. die "grauen" Treibhausgasemissionen, vermehrt in den Fokus. Nachhaltiges Bauen ist ein umfassender Prozess, der sämtliche relevanten Aspekte in ein ganzheitliches, systemisches Modell integriert. Dieses Modell umfasst den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks oder eines städtebaulichen Vorhabens und orientiert sich an objektivierbaren ökologischen, sozialen und kulturellen Qualitäten.
Die methodischen Grundlagen der allgemeinen Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung zur Operationalisierung der Nachhaltigkeit sind in sogenannten Gebäudebewertungssystemen (vielfach auch Zertifizierungssysstemen) festgeschrieben.

Stehen ökologische und wirtschaftliche As-pekte des Bauens noch immer miteinander in Konkurrenz? Die Aspekte müssen im Sinne des Drei-Säulen-Modells der Nachhaltigkeit (ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit) ganzheitlich gesehen werden: Bauwerke müssen sowohl ökologisch als auch ökonomisch sowie soziokulturell und aus der Lebenszyklusperspektive derart geplant, errichtet und betrieben werden, dass sie für die nächsten Generationen keine Altlast darstellen.

Welche Maßnahmen erachten Sie als wichtig, um Endverbraucher zur richtigen Entscheidung hinzuführen? Es braucht eine Erweiterung der Betrachtung von Einzelaspekten, zum Beispiel sollten bei der Erstellung eines Energieausweises ganzheitliche Sichtweisen berücksichtigt werden und Gebäudezertifizierungsinstrumente zur Förderung und Unterstützung verstärkt zum Einsatz kommen (Stichwort "Green Finance").

Ein wesentliches Ergebnis der SBE 19 war die Grazer Deklaration für Klimaschutz im Baubereich. Was sind die Metaziele dieser Erklärung? Die Grazer Deklaration fordert entschlossenes Handeln zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen ein. Insbesondere erinnert sie die Politik an ihre Rolle, für den Umweltschutz verbindliche und technologieoffene Anforderungen zu formulieren. Diese Anforderungen müssen sich u. a. bei konkreten Planungsaufgaben anwenden und umsetzen lassen.

Ein formuliertes Ziel ist die Einführung von Budgets (vergleichbar mit einem Kostenrahmen) für die Treibhausgase im Lebenszyklus. Die Deklaration weist darüber hinaus auf den Bedarf an Förderprogrammen hin, die Maßnahmen zur Einsparung von Treibhausgasen honorieren sollen. Zielführend wäre zudem auch eine angemessene infrastrukturelle und personelle Ausstattung der Bauforschung. Ergänzt wird die Deklaration durch Handlungsempfehlungen an die Immobilien- und Finanzwirtschaft sowie durch eine Selbstverpflichtung der Wissenschafter. Diese wollen mit ihrer Arbeit die Politik, die Wirtschaft und die Industrie beim Erreichen der Ziele unterstützen.

In der Deklaration wird auch die hohe Dringlichkeit von Maßnahmen formuliert. Sind die Klimaziele für 2030 für Sie zu "unverbindlich"? Ausgangspunkt ist der vergleichsweise hohe Anteil des Bausektors an der Ressourceninanspruchnahme und Umweltbelastung: Gebäude sind für 40 Prozent des Energieverbrauchs und für 36 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Die 2030-Ziele fordern 50 Prozent Einsparung in knapp zehn Jahren! Mit den bisherigen Maßnahmen und Klimazielen der letzten Bundesregierung respektive des Nationalen Energie- und Klimaplans werden diese nicht erreicht werden können, da die THG-Emissionen bis dato ansteigen statt sinken!

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