2030 sind 30 Prozent der Bevölkerung über 60 Jahre alt. Geeigneter Wohnraum für ältere Menschen ist rar, die meisten machen sich aber keine Gedanken darüber.
Auf den Wohnungsmarkt kommen neue Herausforderungen zu. Denn die Frage, wo und wie ältere Menschen künftig leben werden, wird mit einem Mal sehr rasch brisant. Ein wesentlicher Grund dafür sind die Babyboomer, eine zahlenmäßig große Nachkriegsgeneration, die nun laufend in Pension geht - mit anderen Ansichten, Weltbildern, Werten und Erwartungen. "2030 werden 30 Prozent der heimischen Bevölkerung älter als 60 Jahre alt sein", sagt Walter Eichinger von Silver Living, einem Anbieter von frei finanziertem Wohnbau für Senioren in Österreich: "Wir haben jetzt schon einen Bedarf von 80.000 Wohneinheiten." Alternative Wohnformen seien eine gute Möglichkeit für ein aktives Leben und zudem viel günstiger als ein Pflegeplatz im Heim.
Drei Viertel haben keinen Plan, wo sie im Alter wohnen
Aber: "75 Prozent der 50- bis 75-Jährigen haben keine Pläne, wo sie im Alter wohnen werden", sagt Günther Ogris vom Sora-Institut, das für Silver Living die Studie "Die 50- bis 75-Jährigen in Krisenzeiten" erhoben hat. Sorgen machen sich diese Menschen, die "das betagte Alter noch vor sich haben" (Ogris), vor allem wegen der Pandemie, der Klimakrise, des Kriegs in der Ukraine und der finanziellen Situation, Stichwort: Inflation. Gerade zwischen der finanziellen Situation und der Wohnsituation bestehe ein starker Zusammenhang, sagt der Experte. "Auch Menschen, die im Eigentum wohnen, machen sich deshalb Sorgen, dass sie dieses Eigentum verlieren könnten." Wer keinen Wohnraum im Eigentum besitzt, dessen Lebenssituation sei noch unsicherer, weil es keine Reserven gebe.
Umzug nur, wenn es die äußeren Umstände erfordern
Die meisten Sorgen um die Zukunft des Wohnens machen sich die Menschen in Wien. Dort sei auch der Anteil einkommensschwächerer Personen höher, sagt Ogris. Zehn Prozent der erwähnten Altersgruppe seien schon umgezogen, ein Viertel würde aufgrund des Alters einen solchen Schritt in Erwägung ziehen. Hauptgrund für einen solchen Umzug seien Faktoren wie Lift, Barrierefreiheit, Größe oder finanzielle Gründe. "Wenige wollen deshalb aufs Land, mehr in die Stadt, weil dort die Infrastruktur besser ist", erklärt der Experte.
Allerdings: 58 Prozent der Befragten wollen in ihrer Wohnung bleiben, für 22 Prozent seien Modelle wie Gemeinschaftswohnen vorstellbar. Ein Fünftel hat allerdings noch keine Idee, was zu tun sei. Der wichtigste Punkt bei allen Menschen sei es, selbstbestimmt leben zu können. Ogris: "Niemand ist gerne hilfsbedürftig." Allerdings wollen die wenigsten anderen zur Last fallen und sind bemüht, alles selbst zu schaffen. Zunehmendes Alter sei jedenfalls der Anlass, die eigene Wohnumgebung mit anderen Augen zu sehen. Ogris: "Die Wohnzufriedenheit ist aber vor allem eine Frage, was man sich leisten kann."
Thomas Morgl, Geschäftsführer von Silver Living: "Leider verlassen sich sehr viele Seniorinnen und Senioren darauf, dass ihnen im Alter bei der Problemlösung von jemandem geholfen wird, entweder durch die Kinder, die Gemeinde oder sonst irgendjemanden." Ein Umzug kommt also oft nur dann infrage, wenn es die äußeren Umstände erfordern. Wenn gewechselt wird, dann sind Faktoren wie die Ortsbezogenheit und der Wunsch nach Kontakt mit anderen Menschen besonders wichtig.
"Was fehlt, ist die Animation, etwas zu ändern", sagt Morgl: "Es ist aber besser, vorher selbst zu entscheiden, sonst entscheidet jemand anderes." Er kritisiert, dass es in Österreich zu diesen Themen kaum eine Diskussion gibt: "Die vorhersehbare Altersarmut vieler Babyboomer ist nicht im Fokus der Öffentlichkeit, geschweige denn der Politik." Das zeige sich auch darin, dass Begriffe wie barrierefrei, betreutes Wohnen oder betreubares Wohnen etc. in Österreich völlig verschieden verwendet werden.
Die familiäre Situation sei dann oft der Auslöser für eine Veränderung, etwa wenn der Partner stirbt. "Dann droht auch schnell die Vereinsamung, das wurde durch die Pandemie noch verstärkt." So habe es während der Lockdowns mehr Oberschenkelhalsbrüche gegeben als sonst.
Vorbehalte gegen Seniorenwohnen muss abgebaut werden
"Wir müssen deshalb die Vorbehalte gegen Seniorenwohnen abbauen", ergänzt Walter Eichinger: "Etwa durch gezieltes Kennenlernen verschiedener Wohnformen." Derzeit fehlen 80.000 bis 100.000 solcher Wohnungen. "Das ist so viel Bedarf, dass er mit dem geförderten Wohnbau allein nicht beseitigt werden kann." Eichinger und Morgl fordern deshalb, dass seitens des Gesetzgebers mehr für das Seniorenwohnen getan wird, etwa durch die Einführung einer eigenen Widmungskategorie, durch Zonierungen oder einen Preisdeckel.
Mit speziellem Seniorenwohnbau könne man auf die Bedürfnisse der Menschen viel genauer eingehen, bekräftigt Morgl: "80 Prozent unser Bewohner sind Singles, 20 Prozent Paare." Das gleiche Verhältnis gibt es bei der Geschlechteraufteilung mit 80 Prozent Frauen. Und ebenfalls 80 Prozent haben kein eigenes Auto (mehr) und sind daher in ihrer Mobilität eingeschränkt. Morgl: "25 bis 30 Prozent der Personen in Pflegeheimen müssten dort nicht leben." Das gelte auch für jüngere Menschen nach schwerer Krankheit oder einem Unfall.
Sorgen um die eigene Wohnzukunft machen sich 15 Prozent der Befragten in ganz Österreich, in Wien blicken mit 19 Prozent die meisten mit Sorge in die Wohnzukunft.