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Smarte Energie in der Seestadt

Die sichere und nachhaltige Versorgung mit Energie ist eine der wichtigsten Zukunftsfragen. In der Seestadt Aspern wird intensiv geforscht und vor allem der Frage nachgegangen, wie Städte der Zukunft klimafreundlich funktionieren können.

Die Seestadt Aspern in Wien ist eines der größten Stadtentwicklungsprojekte Europas.
Die Seestadt Aspern in Wien ist eines der größten Stadtentwicklungsprojekte Europas.
Energiesparend: der Bildungscampus Aspern Seestadt.
Energiesparend: der Bildungscampus Aspern Seestadt.
Der Simone-de-Beauvoir-Platz ist der zentrale Platz im Seeparkquartier, dem Businessquartier der Seestadt.
Der Simone-de-Beauvoir-Platz ist der zentrale Platz im Seeparkquartier, dem Businessquartier der Seestadt.

Die Energiekrise macht uns zu schaffen und führt den Verantwortlichen im Immobilienbereich vor Augen, wie wichtig - auch der Klimawandel trägt dazu bei - nachhaltiges Bauen mit ausgeklügelten Energiekonzepten ist. Ein solches Best-Practice-Beispiel stellt "Aspern - Die Seestadt Wiens" dar. Sie ist eines der größten Stadtentwicklungsgebiete Europas. Bis in die 2030er-Jahre wird im Nordosten Wiens - im 22. Wiener Gemeindebezirk - ein neues regionales Zentrum gebaut. In mehreren Etappen werden hochwertiger Wohnraum für mehr als 25.000 Menschen und über 20.000 Arbeits- und Ausbildungsplätze entstehen.

Auf dem Fundament innovativer Konzepte wächst ein nachhaltiger Stadtteil, der hohe Lebensqualität mit dynamischer Wirtschaftskraft verbindet. Die Seestadt ist ein Gemeinschaftsprojekt. Als Entwicklungsgesellschaft fungiert die Wien 3420 Aspern Development AG, die mit vielen Partnern zusammenarbeitet. Dabei ist die Seestadt ein PPP-Projekt mit den öffentlichen Eigentümern Stadt Wien, vertreten durch die Wirtschaftsagentur Wien, der Republik über die Bundesimmobilienagentur bzw. ARE sowie der Vienna Insurance Group und der Erste Bank als privaten.

"Durch diese Eigentümerstruktur und die schiere Größe des Entwicklungsgebiets konnten wir einen sehr zitatmutigen Masterplan und einen langen Entwicklungshorizont ansetzen. Deshalb sind auch unsere urbanen Strategien, vom Energiekonzept bis zur Mobilität, langfristig wirksam und können trotzdem immer weiter verbessert und adaptiert werden", erklärt Gerhard Schuster, Vorstandsvorsitzender der Wien 3420.

Die Aspern Smart City Research (ASCR) wurde 2013 von Siemens, Wien Energie, Wiener Netze, Wien 3420 und der Wirtschaftsagentur Wien gegründet. Dabei handelt es sich um das größte Energieforschungsprojekt Europas. Mithilfe von Echtdaten aus der Seestadt wird an zukunftsorientierten Energielösungen geforscht. Es geht um Forschung zum Thema Smart Building (Optimierung des Energiebedarfs), Smart Grid (intelligente Netze), Smart User (nutzerorientierte Technologien) und Smart ICT (Vernetzung).

Sehr hohe Gebäudequalität

Für alle Gebäude in der Seestadt Süd, dabei handelt es sich um die erste Ausbauphase südlich des Sees, galt die Vorgabe, beim TQB-Standard (Total Quality of Building) mindestens 750 Punkte zu erreichen.

Im Norden wurde der Minimalstandard mit 800 taxiert. Dieser Bewertungsstandard, bei dem maximal 1000 Punkte in den Kategorien Standort und Ausstattung, Wirtschaftlichkeit und technische Qualität, Energie und Versorgung, Gesundheit und Komfort sowie Ressourceneffizienz erreicht werden können, wurde von der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (ÖGNB) festgelegt. Für die Bewertung der Gebäude in der Seestadt Aspern wird eine eigene Online-Bewertungsplattform angeboten. "Dank der Kooperation mit der ÖGNB war es in der Seestadt schon vor zehn Jahren möglich, einen extrem hohen Nachhaltigkeitslevel als Bedingung für jedes Projekt zu implementieren. Die Tatsache, dass wir hier sogar noch fordernder werden konnten, zeigt auch, dass die Immobilienbranche mit uns mitgegangen und in Summe auf einem guten Weg ist", sieht Schuster die Seestädter Bemühungen bestätigt.

Die Folge ist ein durchgehend extrem hoher Energieeffizienzstandard. Ein Beispiel für ein Plus-Energie-Gebäude ist das Technologiezentrum Seestadt der Wirtschaftsagentur Wien. Dies ist das erste Gebäude, das in der Seestadt überhaupt gebaut wurde. Es bietet neben den Allgemeinnutzungen wie Büroflächen, Restaurant und Seminarbereich auch Flächen für multifunktionale Nutzung im Erdgeschoß. Die Bauweise ist als Skelettbau mit Ort- und Fertigteilbeton ausgeführt, mit einer hochwärmegedämmten Fassade und umlaufendem außenliegenden Sonnenschutz. Beheizung und Kühlung erfolgen über Betonkernaktivierung, Nutzung der Abwärme aus den Serverräumen und eine hocheffiziente Lüftungsanlage. Im Bauteil 1 fungiert die Fernwärme Wien lediglich als Back-up für den Betrieb. Ein weiteres Musterbeispiel für ökologisches Bauen und Energieeffizienz und Testbed für die Forschung der Aspern Smart City Research (ASCR) ist das "GreenHouse"-Studierendenwohnheim - mit Photovoltaik, Energiespeichersystem und energieoptimierter Architektur. Das Wohnheim stellt die Energie, die seine Bewohnerinnen und Bewohner bzw. der Betrieb brauchen, selbst zur Verfügung. Das Ziel der Verantwortlichen besteht darin, sogar mehr Energie zu produzieren, als für das Wohnheim benötigt wird, und Überschüsse an das Stromnetz abzugeben ("Plus-Energie") - sozusagen ein Studierendenwohnheim als kleines Kraftwerk.

Auch das Wohnbauprojekt "JAspern", das erste Wohngebäude der Seestadt, und das Nachfolgeprojekt SEEPARQ reihen sich als positive Beispiele ein.

Passivhäuser als Vorzeigeprojekte

Die Seestadt-Projekte erhalten laufend klimaaktiv-Auszeichnungen. Das erste Quartiersensemble um den Hannah-Arendt-Park wurde mit dem Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit 2019 prämiert.

Das Wohnbauprojekt "JAspern", als erstes Seestädter Wohngebäude überhaupt und Pionier in diesem Ensemble, zeichnet sich durch den hohen energetischen Standard als Passivhaus aus, darüber hinaus punktet es mit einem innovativen soziokulturellen Ansatz zum Wohnen in Gemeinschaft sowie einem ökologischen Gebäude- und Freiraumkonzept und wird dadurch den differenzierten Aspekten nachhaltigen Bauens gerecht. Dies ermöglicht wohnungsbezogene Freiraumgestaltung mit Urban Gardening, intensiv begrünten Dachflächen und großräumigen Gärten. Bauprozessbegleitendes Produkt- und Chemikalienmanagement sorgt für gute Innenraumluftqualität.

Das Projekt SEEPARQ umfasst 53 frei finanzierte Eigentumswohnungen mit großen Balkonen, frei gestaltbaren Wohnungsgrößen und Grundrissen. Zusätzlich gibt es auch noch Räume, die allen Bewohnerinnen und Bewohnern bzw. Benutzerinnen und Benutzern des Hauses zur Verfügung stehen, wie Kochsalons, Gästeappartements, Terrassen, Yogastudio, Food Storage, Schwimmbiotop, Fahrradkeller, Werkstatt, ein multimodaler Veranstaltungsraum etc. Das Objekt wurde in Passivhausqualität mit Wohnraumlüftung, Raumhöhen von zumindest 2,80 Metern und unter Anwendung biologischer Baustoffe errichtet.

Ausgeklügelte Energielösungen

Der Bildungscampus Liselotte Hansen-Schmidt mit zirka 20.000 m² konditionierter Bruttogrundfläche wurde 2021 in Betrieb genommen und setzt neue Maßstäbe in der innovativen Energieversorgung von Wiener Bildungseinrichtungen. Durch das ausgeklügelte Energiekonzept, welches zu hundert Prozent auf Heizen und Kühlen mittels erneuerbarer Energie vor Ort setzt, ist das Gebäude selbst an heißen Sommertagen wohltemperiert und es kann ganzjährig in einem Temperaturbereich von 23 bis 27 °C gehalten werden. Alle Decken sind bauteilaktiviert und werden von der Technik dahinter - Wärmepumpen, Erdsonden und Photovoltaik - mit Kälte oder Wärme versorgt.

Im Vergleich zu konventionellen Lösungen lassen sich damit Einsparungen von über 90 Prozent der Energiekosten erzielen. Der Bildungscampus nach dem "Campus plus"-Modell ist für bis zu 1100 Kinder und Jugendliche gedacht und verfügt über einen Kindergarten, eine Volksschule, eine Mittelschule sowie sonderpädagogische Einrichtungen und ein Jugendzentrum. Er wird ganzjährig und ganztägig genutzt und betrieben. Neben der begrünten Fassade, den großzügigen Grünflächen und Dachgärten gibt es in allen Geschoßen rundum laufende begehbare Terrassen, die durch außenliegende Treppen aus allen Geschoßen erreichbar sind. Die weit auskragenden Terrassen ermöglichen die Öffnung und Erweiterung der Klassenräume nach außen, sorgen aber gleichzeitig für die bauliche Beschattung der großzügigen Glasflächen und verhindern zusätzlich die sommerliche Überhitzung der Innenräume. "Derzeit gibt es meines Wissens nach kein vergleichbares Projekt, welches die Themen höchstmögliche Energieeffizienz, hoher Autarkiegrad, Leistungs- und Bedarfsoptimierung, ganzjähriger thermischer Komfort - insbesondere Sommertauglichkeit -, Leistbarkeit der Energieversorgung sowie den Aspekt des Gebäudes als Speicher und Netzdienstleister in dieser Konsequenz ausgereizt hat; und damit eine ökologisch nachhaltige und unglaublich tolle Aufenthalts- und Lernumgebung für die Nutzerinnen und Nutzer schafft", freut sich Judith Frank, Programmleiterin des Bildungseinrichtungen-Neubauprogramms aus der Baudirektion der Stadt Wien.

Klimapioniergebäude

Die Wien 3420 Aspern Development AG kann inzwischen auf vielfältige Weiterentwicklungen im Bereich von Gebäudenachhaltigkeit und Energie aufbauen - und zusätzlich aus den Erfahrungen von Aspern Süd lernen. Deshalb wurde mit Expertinnen und Experten für Gebäude in Aspern Nord der neue Standard "Aspern klimafit" formuliert - in einem multidisziplinären Team unter der Führung von FH Technikum Wien, dem Institute of Building Research & Innovation ZT GmbH sowie Urban Innovation Vienna gemeinsam mit der Seestädter Entwicklungsgesellschaft Wien 3420. Dessen Ziel sind Gebäude, die den Anforderungen eines treibhausneutralen Lebens im Jahr 2040 entsprechen, also die Beschränkung auf 1,5 °C Erderwärmung unterstützen. Dafür gibt es detaillierte Vorgaben für die Energieeffizienz der Gebäude, die Versorgung mit erneuerbarer Energie vor allem durch Photovoltaik, Energieflexibilität (niedriger Energiebedarf, Möglichkeit der Energiespeicherung), Klimawandelanpassung, CO2-Einsparungen bei der Gebäudeerrichtung (graue Energie, Material) und CO2-reduzierte Mobilität. Somit wurden die Anforderungen deutlich angehoben.

Dafür bekämen die Bauherren ein smartes Tool an die Hand, betont Wien-3420-Vorstandsvorsitzender Schuster: "Mit dem Kriterienkatalog ,Aspern klimafit' und dem Bewertungssystem greifen wir die Erkenntnis auf, dass es nicht die eine Lösung gibt, die für alle Projekte das Optimum sein muss. Aber wie das CO2 eingespart werden kann, damit ein Objekt klimafit ist, kann der Bauherr nun mithilfe eines wissenschaftlich überprüften Systems transparent nachvollziehen."

Ein erster Schritt in Richtung eines besonders sparsamen Umgangs mit CO2 im Norden sind die Projekte "Lili am See" und "Pier 05" an der Seestadtpromenade. Für diese zwei Hochhäuser mit Wohn- und Gewerbeanteilen wurden die anspruchsvollen Nachhaltigkeitsvorgaben, die im "Aspern klimafit"-Standard festgelegt sind, bereits im Grundstücksvergabeverfahren definiert.

In Kürze starten dazu die Architekturwettbewerbe. Und auch der soeben ausgeschriebene Architekturwettbewerb für das nahe gelegene Baufeld J6 hat zum Ziel, ein äußerst nachhaltiges, multifunktionales Leuchtturmprojekt in die Seestadt zu bringen, das nicht nur beste Bedingungen zum Leben und Arbeiten verbindet, sondern auch ein echter Klimaschützer wird.

Sie wollen mehr zu dem Thema erfahren? Dann lesen Sie weitere Artikel im SN-Hochglanzmagazin „Die Besten – das Immobilienmagazin“ – ab 4. November kostenlos in der SN-App.

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