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Raumordnung und Grundverkehr: "Bürgerrechte mit Füßen getreten"

Mit Jahreswechsel setzt die Salzburger Landesregierung bei Raumordnung und Grundverkehr auf Härte. Die geplanten Maßnahmen und Kontrollen widersprächen der Rechtsstaatlichkeit, kritisiert ein Jurist.

Rechtsanwalt Berthold Garstenauer blickt mit Schrecken auf die geplanten Eingriffe in die verfassungsrechtlichen Freiheiten der Bürger. SN/bernhard schreglmann
Rechtsanwalt Berthold Garstenauer blickt mit Schrecken auf die geplanten Eingriffe in die verfassungsrechtlichen Freiheiten der Bürger.

Zufall oder nicht, rechtzeitig vor der Landtagswahl will die Salzburger Landesregierung mit einem neuen Raumordnungsgesetz (ROG) und einem neuen Grundverkehrsgesetz ab Jahresbeginn ein deutliches Signal setzen. Doch hinter den Bemühungen gegen "Zweitwohnsitze" sehen Juristen einerseits fragliche Definitionen und Bestimmungen, andererseits grobe verfassungsrechtliche Verstöße bei der Kontrolle. Diese soll deutlich mehr Rechte haben als etwa die Polizei.

Was ist ein Zweitwohnsitz?

Für den Salzburger Rechtsanwalt Berthold Garstenauer fangen die Fragen schon bei der Definition an, was denn ein Zweitwohnsitz überhaupt sei. "Der Gesetzgeber definiert den Hauptwohnsitz in § 5 des ROG als einen Ort, wo sich eine Person in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu schaffen", erklärt Garstenauer.

Die Rechtslage in Österreich sehe aber grundsätzlich vor, dass man mehrere Hauptwohnsitze haben könne, man müsse sich für einen entscheiden. Das könne sich aber auch kurzfristig oder vorübergehend ändern. Garstenauer: "In der Entscheidung Ra 2018/13/0064-8 vom 21. November 2018 bekräftigt der Verwaltungsgerichtshof in seinen Ausführungen zum Salzburger Ortstaxengesetz, dass sich in diesem Gesetz keine Rechtsgrundlage für die Annahme findet, dass der Deckung des ganzjährigen Wohnbedarfs nur eine einzige Wohnung dienen könne."

Das Salzburger Raumordnungsgesetz ist nicht an das Meldegesetz angebunden. Es wird selbstständig nach den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen entschieden. "Die Pflicht zur Bezeichnung eines der Wohnsitze als Hauptwohnsitz ändert nichts an der Möglichkeit der faktischen Nutzung mehrerer Wohnsitze als Hauptwohnsitz", erläutert der Jurist. Es sei also durchaus möglich, dass man über mehrere Hauptwohnsitze verfüge, wenn man - auch temporär - dort gerade den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen unterhalte. Garstenauer nennt ein Beispiel: "Nehmen wir an, ein Pensionist verfügt neben seiner Wohnung in Wien über eine Wohnung im Salzburger Skigebiet und befindet sich dort mehrere Wochen jährlich. In dieser Zeit stellt diese Wohnung den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen dar. Eine wirtschaftliche oder berufliche Nahebeziehung gibt es für ihn als Pensionisten nicht. Eine gesellschaftliche Nahebeziehung ist für jeden individuell und nicht Angelegenheit einer behördlichen Untersuchung." Es könne ja nicht sein, dass es einen Unterschied mache, ob man sich gesellschaftlich engagiere oder nicht. "Diese Kriterien sind für eine gesetzliche Differenzierung ungeeignet. Sie dringen in eine Privatsphäre vor, die nicht Angelegenheit der Behörden sein soll."

Behörde prüft berufliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Kriterien

Ähnlich vertrackt sieht Garstenauer die Lage beim geplanten Grundverkehrsgesetz. Der Erwerb von Eigentum, ein Fruchtgenuss-/Wohnrecht, ein Baurecht oder Bestandsrechte (etwa eine Miete von mehr als zehn Jahren) müssen dem Grundverkehrsbeauftragten, einer Landesbehörde, angezeigt werden. Ausgenommen sind Transaktionen im Familienkreis oder Schenkungen.

Für eine solche Anzeige eines Hauptwohnsitzes hat man ein Jahr Zeit. "Aber wie soll man das machen?", fragt Garstenauer. Die Meldebestätigung allein reiche nicht, auch nicht die Anmeldung eines Pkw. "Muss ich Tankrechnungen aus der Nähe vorweisen? Auch die Schulen der Kinder sagen nichts aus." Garstenauer: "Es kann nicht sein, dass ich mich gesellschaftlich engagieren muss. Wo ich meine Freunde habe oder ob ich zur Feuerwehr gehe, das geht die Behörde nichts an!"

Die Behörde prüfe berufliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Kriterien. Doch berufliche sagen wenig aus, wenn man Pensionist sei, in Zeiten von Remote Work von überall arbeiten könne oder auch viel unterwegs sei. Gesellschaftliche Gründe lässt Garstenauer gar nicht gelten, denn niemand müsse sich gesellschaftlich engagieren. Und auch wirtschaftliche Gründe seien meist schwierig, bei welcher Bank jemand sein Gehaltskonto habe, sei ebenfalls unerheblich.

"Die Frage des Aufenthalts ist aus meiner Sicht in einem freien Europa nicht sanktionierbar", bekräftigt der Experte: "Die Frage der Nutzung einer Wohnung soll eine rein private bleiben. Rein private Angelegenheiten und Konstellationen wie die Dauer eines Aufenthalts, die Intensität der Nutzung von Eigentum, das gesellschaftliche Engagement, die Inanspruchnahme von öffentlichen Versorgungseinrichtungen u. a. kann nicht in ein juristisches Korsett gezwängt werden."

Aktionen von Kontrollorgane könnten Verfassung widersprechen

Unabhängig von diesen Faktoren sind dem Juristen aber die Überwachungs- und Sanktionierungsmaßnahmen ein besonderer Dorn im Auge. Denn eigene Kontrollorgane könnten dann mit einer Vollmacht der Behörde Dinge tun, die klar der Verfassung widersprechen. "Diese Person kann einfach eine Wohnung betreten, das darf nicht einmal die Polizei ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss." Diese Person kann dann, laut den geplanten Gesetzen, auch "erforderliche Unterlagen" verlangen, diese (einschließlich Geschäftsaufzeichnungen) einsehen und Kopien anfertigen und auch Datenbanken und Speichermedien öffnen, auswerten und Kopien herstellen. Garstenauer: "Diese Personen dürften dann auch Datenträger, Festplatten oder Platinen aus den Geräten entfernen und Kopien anfertigen."

Dazu kommt, dass Versorgungsunternehmen Verbrauchsdaten übermitteln müssen. Wer das alles nicht zulässt, riskiert Strafen zwischen 10.000 und 50.000 Euro. Wird der in einem Bescheid festgehaltene "gesetzliche Zustand" nicht in einer angemessenen Zeit hergestellt, könne die Liegenschaft gerichtlich versteigert werden. Garstenauer: "Der Eigentümer erhält dann den Verkehrswert minus zehn Prozent. Wird mehr erzielt, behält sich das Land die Differenz." Allerdings: Die Möglichkeit der Zwangsversteigerung wurde bereits im ROG 2009 vorgesehen, aber noch nie umgesetzt. Garstenauer: "Die Gründe dafür liegen auch darin, dass der Gesetzgeber mit seinen Maßnahmen in einen privaten Bereich seiner Bürger vordringt, der nicht sanktionierbar ist."

Für ihn ist die Verhältnismäßigkeit der ab Jahresbeginn geplanten Eingriffe in keiner Weise gegeben. Etwa Computer mitzunehmen mute polizeistaatlich an. Dazu komme, dass die Kontrollorgane diese Verhältnismäßigkeit einfach selbst bestimmen, es ist kein richterlicher Beschluss notwendig.

Für Garstenauer werden durch die beiden geplanten Gesetze das freie Eigentumsrecht und das freie Aufenthaltsrecht mit Füßen getreten. "Salzburg ist in der EU noch nicht angekommen", konstatiert der Jurist: "Ziel ist offenbar eine Abschreckungspolitik mit Maßnahmen, die gar nicht durchsetzbar sind, aber einfach Angst erzeugen sollen."

Aufgerufen am 23.09.2023 um 10:27 auf https://immo.sn.at/immo-ratgeber/bauen-wohnen/raumordnung-und-grundverkehr-buergerrechte-mit-fuessen-getreten-130126150

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