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Noch immer Luft nach oben

Salzburg ist bei den Immobilienpreisen seit Jahren Spitzenreiter, Graz nahezu Schlusslicht. Warum ist das so? Beide Städte im Expertenvergleich.

Graz ist größer als Salzburg, die Immobilienpreise sind aber viel niedriger.
Graz ist größer als Salzburg, die Immobilienpreise sind aber viel niedriger.

Elisabeth Rauscher und Stefan Kendlbacher, Immobilienmakler aus Salzburg, und Gerhard Knoll, ihr Branchenkollege aus Graz, unterhalten sich via Videocall über die grundverschiedenen Immobilienmärkte der beiden Landeshauptstädte.

Sucht man im Internet nach Zweizimmerwohnungen, so erhält man in Salzburg eine knappe Auswahl mit einem Durchschnittspreis von 250.000 bis 270.000 Euro, in Graz gibt es deutlich mehr Angebote, und das unter 200.000 Euro, die günstigste Wohnung wird um 160.000 Euro angeboten. Wie kam es zu diesen Preisentwicklungen in zwei Städten, die sich von Lebensqualität und Infrastruktur eigentlich gar nicht so unähnlich sind? Elisabeth Rauscher: Salzburg hat schon eine sehr hohe Lebensqualität und Verkehrsanbindung mit Flughafen mitten in der Stadt. Die Preise in Salzburg sind in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich gestiegen, nur zwischen 1995 und 2000 gab es einen Durchhänger. Seither ist die Nachfrage nach Immobilien wieder höher als das Angebot, das Salzburger Becken lässt aber nur begrenzte Baumöglichkeiten zu. Auch der Speckgürtel ist nur begrenzt bebaubar. Weil die Angebote immer schon geringer als die Nachfrage waren, sind auch die Preise gestiegen, von 2000 bis 2015 um etwa vier Prozent pro Jahr, zwischen 2015 und 2018 lag die Steigerung in etwa bei der Höhe der Inflationsrate. Mit Corona sind die Preise explodiert, weil die Nachfrage nach Wohnraum und Anlageobjekten enorm gestiegen ist, gleichzeitig aber weniger Immobilien auf dem Markt waren und sind.

In Graz wächst die Stadt Richtung Süden, Salzburg könnte man ja süd- und nordseitig auch erweitern? Stefan Kendlbacher: Aktuell stehen in Schallmoos Widmungsänderungen zur Diskussion. Dort gibt es große Liegenschaften, die derzeit Gewerbeflächen sind. Wie sich die Stadt letztlich entscheidet, wird sich in zwei bis drei Jahren zeigen.

Rauscher: Entlang der Nord-Süd-Achse an der S-Bahn, also dort, wo die Verkehrsanbindung gut ist, siedeln sich immer mehr Familien an. Vor zehn Jahren war diese Tendenz noch nicht in dem heutigen Ausmaß da. Man wollte maximal bis zu 15 Kilometer außerhalb der Stadt wohnen. Heute sind Familien - gute Verkehrsanbindung vorausgesetzt - bereit, bis zu 35 Kilometer in das Umland zu ziehen. Wir haben aktuell ein Projekt in Heiligenstatt, das ist nach Straßwalchen an der Grenze zu Oberösterreich. Vor fünf Jahren hätten viele noch gesagt, das ist zu weit draußen, jetzt hat sich das geändert. Die Stadt Salzburg ist vom Preis her für viele Familien nicht mehr leistbar.

Daran sind ja nicht zuletzt die Baugrundpreise schuld - auch im Speckgürtel?

Rauscher: Stimmt, Baugründe waren schon immer rar, das hat sich in den letzten zehn Jahren noch verschärft und die Preise nach oben getrieben. Bei Grundstücken in Triple-A-Lagen der Stadt wurde die 2000-Euro-Marke bereits geknackt! Sonst sind wir bei 1000, 1500 Euro pro Quadratmeter, je nach Lage und Bebaubarkeit. Hohe Grundstückspreise und Rohstoffverteuerungen treiben die Preise noch mehr in die Höhe, in Summe wird Neubau in den nächsten Jahren erheblich teurer werden. Corona hat die Nachfrage angetrieben, mehr Menschen wollen ins Grüne oder zumindest mehr Außenflächen wie Balkon und Terrasse.

Gerhard Knoll: Obwohl Graz die zweitgrößte Stadt Österreichs ist und eine große Studentenstadt, gibt es dieses Ost-West-Gefälle noch immer, bei dem wir in puncto Immobilienpreise noch hinter dem Burgenland Schlusslicht sind. Von Salzburger Preisen können wir nur träumen! Wenn bei uns für Triple-A-Lagen 1000 Euro bezahlt würden, hätten wir eine Freude! Gerade deshalb kommen aktuell viele Vorarlberger, Tiroler, Salzburger und vor allem Deutsche zu uns und kaufen sich vor allem in der Südsteiermark, der sogenannten steirischen Toskana, ein. Dadurch steigen auch die Preise. Graz selbst ist zwar großflächig, wir haben etwas mehr Grundstücke und Wohnungen zur Verfügung. Doch auch bei uns hat Corona den Preis nach oben getrieben, die Menschen wollen mehr ins Grüne, vor allem aber weg vom Spar- hin zum Grundbuch. Wir müssen halt fünf Mal mehr Objekte verkaufen als Sie, liebe Kollegin! Wir können gern einmal tauschen (lacht).

Rauscher (lacht): Dafür habt ihr ein großes Angebot und wir müssen schauen, wie wir überhaupt an Objekte kommen!

Knoll: Dieses Problem haben wir hier auch, ohne guten Namen und Netzwerk geht da gar nichts. Derzeit kaufen die Investoren Graz auf. Da gibt es die großen Bauträger, die verbauen 10.000, 15.000 Quadratmeter, Investoren oder Fonds aus Deutschland kaufen das in Bausch und Bogen, weil so viel Geld da ist. Am Konto gibt's nichts mehr für das Geld, da macht es nichts aus, wenn ein paar Wohnungen leer stehen.

Wie ist in den beiden Städten die aktuelle Preissituation, wie geht es weiter? Knoll: Eine gebrauchte Wohnung kostet in Graz je nach Stadtteil und Lage 2500 bis 2800 Euro pro Quadratmeter, beim Penthouse können es auch bis zu 9000 sein. In guten Lagen wie St. Peter liegen wir bei 5000 bis 5500 Euro, bei 6000 bis 6500 Euro beim Neubau. Weiter hinaus im Umland, etwa in Söding oder Lieboch, 20 Minuten von Graz entfernt, kostet der Quadratmeter gebraucht 3000, Neubau 4000. In Graz haben wir den Plafond noch lange nicht erreicht. Solange Geld nichts kostet und die Erbengeneration Geld zum Ausgeben hat, wird es noch länger so weitergehen. Die 1000 Euro pro Quadratmeter Grund werden die nächste Hürde sein, vielleicht geht es in Toplagen auf 1500 Euro hinauf. Wir haben vor Kurzem 25 Kilometer außerhalb von Graz ein Grundstück gekauft, mit allen Anschlüssen, zwei Autominuten zur Autobahn, um 45 Euro! Auch wenn sich das im letzten Dreivierteljahr verdoppelt haben mag, kann man bei uns im Umland immer noch Grundstücke unter 100 Euro pro Quadratmeter kaufen. Es gibt also noch Luft nach oben.

Rauscher: Von den Preisen her liegen wir in der Stadt Salzburg beim Neubau im Schnitt bei 7500 Euro pro Quadratmeter, Tendenz Richtung 8000 Euro, bei Gebrauchtwohnungen bei 5500 Euro, bereits in Richtung 6000 Euro pro Quadratmeter. Im Umland liegen wir durchschnittlich bei 6500 Euro bei Neubauprojekten, gebraucht bei etwa 4000 bis 4500 Euro. Für Penthousewohnungen wird man mit 10.000 bis 12.000 Euro rechnen müssen, davon gibt es ja nicht viele. Bei uns sind sukzessive die Preise in die Höhe gegangen, gleichzeitig wurden die Wohneinheiten kleiner. Während früher eine Vierzimmerwohnung mindestens 90 Quadratmeter hatte, sind die aktuell kompakt geplanten Wohnungen oft nur 80 Quadratmeter groß. Zweizimmerwohnungen haben sich von früher 55 Quadratmetern teilweise auf 45 verkleinert, ebenfalls Reihenhäuser, von noch 140 Quadratmetern in den 1990er-Jahren auf 90 Quadratmeter mit Option auf Dachbodenausbau. Wer in der Stadt bleiben will, akzeptiert diese neuen Raumlösungen. Der Neubau wird jedenfalls teurer werden, da wird bald auch der Gebrauchtmarkt nachziehen. Für nächstes Jahr rechnen wir mit einem Plus von fünf Prozent.

Eine Stadt entwickelt sich ja laufend, der Lend in Graz ist gentrifiziert, Liefering in Salzburg ist nicht mehr das "Glasscherbenviertel" von früher. Wo werden in Graz und Salzburg Stadtteilentwicklungen stattfinden und damit auch preisliche Aufwertungen? Knoll: Der Lend war früher kein wirklich guter Bezirk und hat sich nun dank moderner Bauprojekte toll entwickelt, auch preislich. Nachholbedarf haben vor allem Gries und die Bahnhofsgegend. In Reininghaus entsteht bis 2025 ein komplett neuer Stadtteil mit 5000 Wohnungen für 10.000 Menschen, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten, Carsharing, die Straßenbahn wurde bereits dorthin verlegt. Es wird einiges an geförderten Mietwohnungen geben, daher wird es wichtig sein, den Bewohnermix gut zu steuern, damit kein "Ghetto" entsteht. In der Gradnerstraße sollen bis zu 80.000 Quadratmeter Gewerbegebiet umgewidmet werden in allgemeines Wohngebiet, da wird Neues entstehen. Generell müssen wir mehr in die Höhe bauen, viel Fläche haben wir nicht zur Verfügung, es wird auch zu viel versiegelt. Der Verkehr könnte bei den ganzen neuen Projekten allerdings zum Problem werden.

Rauscher: In Salzburg-Stadt und Umgebung erfahren fast alle Stadtteile und Gemeinden eine gewisse Aufwertung, sofern Entwicklungsflächen zur Verfügung stehen. In Salzburg ist halt alles viel enger. In Schallmoos hätten wir, wie gesagt, Potenzial, auch wenn die Stadt vermutlich nicht gern auf die Steuereinnahmen aus den Gewerbebetrieben verzichten möchte. Würden dort Widmungsänderungen stattfinden, wäre das auch eine Aufwertung für den Stadtteil. In Elisabeth-Vorstadt wird bis 2026 ein neues Landesdienstleistungszentrum gebaut für 1000 Beamte auf einem Areal von 10.000 Quadratmetern, die geplante architektonische Qualität in Verbindung mit neuer Gastronomie wird die Elisabeth-Vorstadt aufwerten. Ansonsten ist leistbarer Wohnraum knapp, die Politik sucht nach Lösungen und greift auch bei Umwidmungen ein. Während bei einem größeren Projekt der Anteil an geförderten Mietwohnungen früher bei 25 Prozent lag und 75 Prozent frei finanziert waren, ist es mittlerweile umgekehrt. Viele Umlandgemeinden widmen oft nur dann um, wenn ein Teil für geförderten Mietraum genutzt wird.

Kendlbacher: Gemeinden wie zum Beispiel Grödig haben hier gute Modelle zur Bauland- oder Wohnungseigentumssicherung. Dort müssen bei neuen Bauprojekten Teile für leistbaren Wohnraum abgetrennt werden. Da übernehmen sozusagen die Gemeinden die Arbeit von den gemeinnützigen Wohnbauträgern.

Gibt es überhaupt genügend leistbaren Wohnraum in Salzburg-Stadt und Graz? Knoll: Das lässt sich schwer pauschal beantworten. Die Förderungen in Graz sind nicht schlecht, doch eher für Menschen mit Mindestsicherung gedacht, für Studenten etwa wurden die Förderungen gestrichen beziehungsweise sind die Einkommensgrenzen der Eltern so niedrig angesetzt, dass kaum jemand eine Förderung erhält.

Rauscher: In Salzburg versucht man, die Wohnungsknappheit zu lindern, indem man etwa Supermärkte überbaut und die Fläche optimaler nutzt. Es wird auch über Nachverdichtung diskutiert, allerdings könnte es bei bestehenden Immobilien schwierig werden, den gültigen Parkplatzschlüssel zu erfüllen. Aus unserer Sicht wäre es gut, wenn man, sofern es städtebaulich verträglich ist, die Bebauungspläne für Neubauten um ein bis zwei Geschoße erhöhen würde. Da ließen sich auch die benötigten Parkplätze besser einplanen. Eine andere Sache ist, dass die Wohnbauförderung rascher an aktuelle Kaufpreise angepasst werden müsste. Das wäre wichtig, um schneller an Förderungen zu kommen. Und das würde vor allem den Familien helfen.

Mit welchen Kundenwünschen sind Sie aktuell konfrontiert? Knoll: In Graz ist es die klassische Anlegerwohnung, zunächst für das Kind, das studiert, später wird dieser Wohnraum vermietet. Das am besten nahe der Uni, da steigen natürlich dann auch die Preise. Das Einfamilienhaus in Graz oder am Stadtrand ist nachgefragt, aber fast nicht mehr leistbar. Große Nachfrage gibt es seit Ausbruch der Pandemie - wie schon gesagt - nach mehr Grünraum. Leider können wir unsere Kunden nicht immer bedienen, wie wir wollen, weil die Angebote fehlen.

Rauscher: Das ist, wie schon ausgeführt, auch bei uns ein Problem. Auch bei uns ist die Nachfrage nach Einfamilienhäusern groß, die immer schwerer leistbar sind. Dazu kommt, dass in vielen Umlandgemeinden die Bebauungsdichte etwas angehoben wurde und man mehr auf Wohnungsprojekte statt auf Reihenhäuser oder Doppelhäuser setzt, weil so mehr Wohnraum geschaffen werden kann. Mit der beschriebenen Entwicklung werden in den nächsten Jahren vermutlich Reihen- und Doppelhäuser Mangelware werden.

Wenn Sie städtebaulich entscheiden dürften, was wären Ihre Maßnahmen? Knoll: Ich würde dort, wo es passt, die Baudichte erhöhen, damit nicht so viel Platz verwendet wird, dafür mehr Grün bleibt und das Wasser abrinnen kann. Dann würde ich für ein passendes Verkehrskonzept sorgen.

Rauscher: Ich würde mir jedenfalls keine Hochhäuser wünschen, sondern die Anzahl der Geschoße nur um ein bis zwei erhöhen. Außerdem würde ich bei neuen Projekten die Parkplatz- und Verkehrssituation gleich mit einbinden. Und ich würde die Wohnbauförderung so gestalten, dass sie den aktuellen Kaufpreisen angepasst ist. Diese Maßnahme würde besonders den Familien zugutekommen.