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Mehr Spielraum für Wohnungseigentümer

Das neue WEG rückt vom Einstimmigkeitsprinzip ab. Neues Gesetz gilt ab 1. Jänner 2022 und ermöglicht viel Neues.

Eigentümergemeinschaften können künftig einfacher zu Entscheidungen gelangen.
Eigentümergemeinschaften können künftig einfacher zu Entscheidungen gelangen.

Wer in einer Eigentumswohnung lebt, kennt die Situation: Es gibt eine gute Idee, die vielen anderen Eigentümern einen Vorteil bringen würde, dennoch wird ein Beschluss von einigen wenigen verhindert. Das sogenannte Einstimmigkeitsprinzip hatte bisher zur Folge, dass man auf veränderte Anforderungen kaum reagieren konnte, sei es auf den Klimawandel, sei es auf die E-Mobilität.

„Im Wohnungseigentum kommt es zu wesentlichen Änderungen, von denen mehr als 650.000 Objekte österreichweit betroffen sind.“
Udo Weinberger, Vorstand ÖVI

Das neue Wohnungseigentumsgesetz, das (mit Ausnahmen) per 1. Jänner 2022 in Kraft tritt, schafft hier nun einige Neuerungen, die eine Entscheidungsfindung erleichtern sollen.

Schweigen als Zustimmung für Themen wie Beschattung, Elektromobilität und Barrierefreiheit

So wird für bestimmte Maßnahmen bereits dann die Zustimmung als erteilt gelten, wenn man nicht innerhalb von zwei Monaten nach Übersendung der geplanten Änderungen widerspricht. Dieses "Schweigen als Zustimmung" gilt für definierte Themenbereiche, etwa die Errichtung von Ladestationen für Elektrofahrzeuge, die Errichtung von Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen auf Dächern von Reihenhäusern oder Einzelgebäuden, die Installation von Beschattungsvorrichtungen wie Markisen oder Rollläden sowie für die barrierefreie Ausgestaltung und den Einbau einbruchssicherer Eingangstüren.

Wie sieht das in der täglichen Praxis aus?

Für Udo Weinberger, Sprecher der Hausverwalter beim Österreichischen Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI), sind für die tägliche Praxis aber noch einige Fragen offen.

Etwa beim Thema Beschattung, denn hier sei sehr wohl auf die allgemeine Gestaltung der Fassade Rücksicht zu nehmen. "Da stellt sich die Frage: Wer gibt vor, wie die Beschattung aussieht?" Ist es jene Partei, die als Erstes etwa eine Markise anbringt? Müssen dann alle anderen das gleiche Modell nehmen? Hat nicht auch jeder andere Eigentümer das Recht, sich selbst um ein Modell seiner Wahl zu kümmern?

Bei der barrierefreien Ausgestaltung helfe das vereinfachte Verfahren den Eigentümern sicherlich, auch die einbruchssichere Wohnungseingangstür sei zu begrüßen. "Aber auch hier bleibt die Tatsache, dass es sich um ein Gemeinschaftseigentum handelt und somit auch der Gesamteindruck zu wahren ist", sagt Weinberger.

Einstimmigkeit bei Abstimmungen fällt, Zweidrittelmehrheit kommt

Wichtig sei jedenfalls, dass es keine Einstimmigkeit mehr brauche, auch wenn sich der neue Abstimmungsmodus erst in der Praxis bewähren müsse. Künftig reicht eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, berechnet nach Anteilen, sofern diese Mehrheit zumindest ein Drittel aller Miteigentumsanteile erreicht. Dabei gilt jede abgegebene Stimme. Passive Eigentümer, die sich nicht an der Beschlussfassung beteiligen, haben so weniger Gewicht.

Adressweitergabe durch Verwalter ist ab 01.01.2022 erlaubt

Positiv für Weinberger ist es auch, dass die Verwalter nun die Namen und Zustelladressen der anderen Eigentümer weitergeben dürfen, wenn ein Eigentümer im Sinne des Hauses eine Maßnahme anregt. "Früher durften wir das nicht, aus Datenschutzgründen. Das hat viele verärgert. Haben wir es doch getan, gab es die Beschwerde, dass wir uns nicht an das Datenschutzgesetz gehalten hätten."

Nun ist das also möglich, allerdings ohne Mailadresse. Das ist für den Experten unverständlich: "Selbst wir als Verwalter haben oft von Eigentümern, die ihre Wohnung nicht selbst nutzen, keine Adresse, sondern nur die E-Mail-Adresse. Viele Bewohner wünschen auch nur mehr diese Form der Kommunikation."

Neu im Wohnungseigentumsgesetz ist auch die Frage der Rücklagen

So werden nun 90 Cent pro Quadratmeter Nettofläche als Mindestrücklage gebildet. Diese Summe darf nur in Ausnahmefällen unterschritten werden, etwa weil gerade kürzlich erst eine Maßnahme erfolgt ist. Weinberger: "Die 90 Cent sind eigentlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Um damit beispielsweise sinnvolle Dekarbonisierungsmaßnahmen zu tätigen, hätten wir mit einer solchen Rücklage schon vor 20 Jahren beginnen müssen." Bei einem Gemeinschaftsdarlehen könnten einzelne Eigentümer ihren Anteil nun auch in einer Einmalzahlung begleichen.

Hybride Versammlungen der Eigentümer sind möglich

Der neuen Zeit geschuldet ist nun auch die neue Möglichkeit, Eigentümerversammlungen hybrid durchzuführen, also sowohl mit physischer Anwesenheit als auch via Onlinekanäle. "Das ist gut, wenn Eigentümer aus verschiedenen Gründen nicht anwesend sein können, bedeutet aber einen zusätzlichen organisatorischen und technischen Aufwand", kritisiert Weinberger.