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Lebenstraum auf kleinstem Raum: das Mikrohaus

Lebensumstände und Bedürfnisse werden immer unvorhersehbarer, die Preise steigen. Kleinere, günstigere und mobile Wohneinheiten könnten ein Ausweg sein.

Eine gute Planung ist wichtig, damit das Leben im Mikrohaus funktioniert.
Eine gute Planung ist wichtig, damit das Leben im Mikrohaus funktioniert.
Fünf Jahre wohnte Simone Kamleitner in ihrem 30-Quadratmeter-Haus.
Fünf Jahre wohnte Simone Kamleitner in ihrem 30-Quadratmeter-Haus.

Simone Kamleitner wollte vor sieben Jahren nicht länger den Großteil ihres Einkommens ins Wohnen stecken und legte sich ohne großes Eigenkapital ein Haus am Rande von Schleedorf zu: 30 Quadratmeter Gesamtwohnfläche für Küche, Bad, Schlafkoje, Wohn- und Arbeitszimmer. 2015 zählte sie damit zu den ersten Mikrohausbesitzerinnen Österreichs. Ihr Plan war, dort ihr weiteres Leben zu verbringen. Nach fünf Jahren kamen allerdings eine neue Beziehung und Corona dazwischen. Seither vermietet sie ihr Haus an Touristen. "Mit sehr positivem Echo", wie Simone Kamleitner erzählt: "Spannenderweise klappt das, was ich für mich entworfen habe, auch für andere Menschen."

Mikrohaussiedlung in Schneegattern entsteht

Die Idee des "Micro Living" ist nach wie vor Simone Kamleitners Herzensangelegenheit, seit Jahren plant sie Mikrohäuser für andere Menschen. Als langjährige Mikrohausbewohnerin weiß sie, was auf kleiner Fläche essenziell ist, was am besten in welcher Ecke untergebracht wird und wie der Raum dennoch nicht vollgestopft wirkt. Die von ihr im Baukastenprinzip entworfenen Einbaumöbel funktionieren in allen zehn Mikrohäusern, die ihre Firma Me&Me bisher realisiert hat. Zwei Mikrohausvillen mit 100 Quadratmetern entstehen derzeit und schon bald soll auch die erste Mikrohaussiedlung in Schneegattern gebaut werden. Seit Ende des Vorjahres läuft der Verkauf der Einheiten.

Das Interesse an Kleinsthäusern ist jedenfalls ungebrochen, sagt Kamleitner: "Im ersten Jahr haben sich 400 Leute mein Mikrohaus angesehen und heute könnte ich mich mit 1000 Menschen zu dem Thema austauschen. Natürlich sind 90 Prozent davon nur neugierig und leben die Idee dahinter nicht wirklich." Wer in einem Mikrohaus wohnen will, muss viel Ballast abwerfen und sein Leben bewusst auf das reduzieren, was wirklich nötig ist. Bei Kleidung und Sportartikeln, Geschirr und Küchengeräten ist Einschränkung angesagt. Abstellkammer, Keller oder Dachboden gibt es in einem Mikrohaus nicht. Und Interessenten müssen auch teils naive Vorstellungen über Bord werfen, sagt Simone Kamleitner: "Manche träumen von einem soliden Mikrohaus mit Grund um 100.000 Euro. Das funktioniert sicher nicht."

Wohnraum immer knapper und teurer

Ein Blick in die Statistik macht deutlich, woher das wachsende Interesse an kleinen Wohneinheiten kommt. Im Jahr 2000 überschritt die Einwohnerzahl in Österreich die Acht-Millionen-Marke. In diesem Frühling wurden neun Millionen geknackt. Dazu kommt, dass hierzulande 2021 bereits mehr als 1,5 Millionen Menschen in einem Einpersonenhaushalt lebten, das sind fast doppelt so viele wie 1985.

Ab Herbst sollen in Salzburg Leerstände besteuert werden, was auf eine nicht unerhebliche Anzahl schließen lässt. Unter dem Strich verschärft das alles das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Immobilienmarkt. Das Ergebnis lässt sich in Zahlen fassen: Allein in den sieben Jahren seit 2015 stiegen die Preise bei Eigentumswohnungen, Baugründen und Häusern im Bundesland Salzburg um über 50 Prozent. In der Landeshauptstadt kostet der Quadratmeter im Neubau schon mehr als 7000 Euro.

Gleichzeitig steigen in vielen Haushalten die Betriebskosten drastisch an. Vor allem wegen des deutlich geringeren Energie- und Ressourcenbedarfs könnten daher gute Zeiten für Mikrohäuser anbrechen. Sind die Wände gut gedämmt, verbrauchen die kompakten Wohneinheiten wenig Heizenergie. Neu gebaute Mikrohäuser kommen ohne fossile Brennstoffe aus, im Fall der Mikrohaussiedlung in Schneegattern sind es Pellets und Infrarotpaneele. Zusammen mit Photovoltaik und eventuell Solarthermie könnte sogar ein Großteil des gesamten Energiebedarfs gedeckt werden. Wer in einem Mikrohaus allerdings völlig energieautark sein möchte, muss kräftig investieren und braucht zusätzlichen Platz.

Mikrohäuser passen sich der Lebenssituation an

Moderne Mikrohäuser sprechen einerseits das Nachhaltigkeitsdenken und das ökologische Gewissen an, andererseits auch den Wunsch nach Ungebundenheit und Mobilität. Die Lebensumstände ändern sich bei vielen Menschen alle paar Jahre, sei es durch eine neue Arbeitsstelle, eine Trennung oder einfach den Wunsch nach Veränderung. Ein Mikrohaus kommt allen diesen Umständen entgegen und kann bei entsprechender Planung theoretisch auch "mitsiedeln". Die Grundstückspacht wird aufgelöst, das Mikrohaus von einem Tieflader abgeholt und am neu gepachteten Standort aufgestellt. Zusätzliches Plus für Mensch und Umwelt: Bei einem arbeitsbedingten Ortswechsel sparen sich Mikrohausbesitzer lange Pendelstrecken, hohe Treibstoffkosten und Staus. Vor allzu romantischen Ideen warnt Simone Kamleitner dennoch: "Vieles ist nicht möglich, was an Ideen herumgeistert: Die Banken springen beispielsweise als Financiers ab, sobald kein Eigentum an Grund und Boden vorhanden ist und ein Haus keinen festen Standort hat."

Immobilienfirmen und Fertighausbauer haben den Trend zu kleinen Wohneinheiten dennoch längst erkannt. Der schwedische Möbelriese Ikea bewirbt an seinen Standorten schon seit Jahren Einrichtungslösungen für Kleinstwohnungen und experimentiert seit dem Vorjahr mit einem eigenen Mikrohaus. Beim Me&Me-Mikrohausdorf in Schneegattern geht es Simone Kamleitner vor allem um die soziale Komponente. Ihr schwebt ein Generationendorf vor, in dem Singles und Alleinerziehende, Pärchen, Familien und Pensionisten eine neue Form des Miteinanders leben können. Deshalb wird es dort neben 30 Quadratmeter kleinen Mikrohäusern und einer Begegnungszone mit Feuerstelle auch bis zu 90 Quadratmeter große Familienhäuser geben. Reduktion ist dort wie da angesagt: Es gibt schließlich keinen Dachboden und keinen Keller.