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Krieg am Gartenzaun

Nachbarschaftskonflikte können schwierig und langwierig sein. Eine Mediation kann helfen, den Blickwinkel zu verändern und Lösungen zu finden.

Eine Mediation kann Konflikte lösen.
Eine Mediation kann Konflikte lösen.

Eine vegane studentische Wohngemeinschaft, die ein Stockwerk über dem leidenschaftlichen Grillfleischesser lebt, ein Katzenhalter Zaun an Zaun mit einem Katzenallergiker oder eine meditierende Yogabegeisterte als Nachbarin eines Death-Metal-Fans: Wo immer auf engem Raum zusammengelebt wird, ist es fast unvermeidlich, dass es zu Interessenkollisionen kommt.

Die meisten Menschen verbinden ihr Zuhause mit Sicherheit und Geborgenheit, weshalb Störungen in diesem sensiblen Bereich oft doppelt schwer wiegen. Häufig sind es Anlässe wie Lärmbelästigungen oder Ruhestörungen, die einen Grund für Streitigkeiten liefern und sich mitunter zu enormen psychischen Belastungen für die Kontrahenten auswachsen können. "Bevor so ein Konflikt unter Nachbarn die totale Eskalationsstufe erreicht, sollte jedenfalls ein Mediator hinzugezogen werden", rät Paul Lürzer, selbst Mediator aus Seekirchen. "Das sieht auch der Gesetzgeber so vor: Ein Gang zum Gericht ist im Falle eines Nachbarschaftskonflikts erst dann möglich, wenn es einen außergerichtlichen Schlichtungsversuch gegeben hat."

Mediator bringt die sachliche Ebene zurück

Warum es für die Konfliktparteien im Verlauf der Krisensituation oft immer noch schwieriger wird, miteinander zu sprechen, erklärt er folgendermaßen: "In den meisten Fällen hat jeder Streit ja eine sachliche Ursache. Je länger die Kontroverse andauert und je intensiver sie ist", so der Mediator, "desto mehr verlagert sich der Konflikt auf eine emotionale Ebene." Irgendwann sei dann der Punkt erreicht, an dem so viele negative Gefühle im Spiel sind, dass allein schon der Anblick des Gegenübers genüge, um nur noch Gefühle wie Wut, Ärger oder Enttäuschung zu evozieren. Eine Kommunikation könne dann einfach nicht mehr stattfinden, so der erfahrene Mediator. Wie löst man als Professionist diese verfahrenen Situationen auf? "Die Neutralität eines Mediators ist in so einem Prozess eines seiner wichtigsten und wirkungsvollsten Werkzeuge", erklärt Lürzer. "Auf den Schlichter können sich die Aggressionen ja nicht richten, er ist schließlich eine am Streit unbeteiligte Partei." Die Kommunikation mit dem Mediator sei demzufolge schon in einem geringeren Maß emotional aufgeladen, erläutert er. "Dazu kommt: Beide Parteien bekommen die Gelegenheit, ihre Sichtweisen zu schildern, ohne dabei unterbrochen oder berichtigt zu werden", so Lürzer. "Das kann oft schon extrem entlastend wirken." In sehr verfestigten und extremen Fällen werde auch eine sogenannte Shuttle-Mediation durchgeführt, führt er weiter aus. Dabei erfolgt der Dialog mit den Medianden separat (oft telefonisch), sodass die Konfliktparteien zwar die Möglichkeit erhalten, über ihr Erlebtes zu sprechen, sich allerdings nicht miteinander in einem Raum aufhalten müssen.

Ausreden lassen ist wichtig

Der Klassiker in solchen Auseinandersetzungen sei nämlich, schildert Lürzer, dass die Kontrahenten einander ständig ins Wort fallen würden. "Dadurch wird die Chance immer geringer, die Sichtweise der anderen Seite zu verstehen. Wenn man es als Mediator schafft, dass alle Beteiligten zumindest einmal ihre Lage und Bedürfnisse schildern können und der Druck sich lösen kann, bringt das oft schon einen Wendepunkt in der Konfliktgeschichte."

Zielorientiertes Denken

Das Ziel der Mediation ist aber noch nicht erreicht, wenn die Medianden den Disput und die Zusammenhänge "nur" verstehen. Zu einem "Nadelöhr" erfolgreicher Konfliktklärung werde vor allem der Moment, so Lürzer, in dem die Parteien zielorientiert zu denken beginnen und sich auf einen Prozess gemeinsamer Lösungsfindung einlassen. Ein Zitat von Francis Picabia bringe das für ihn gut auf den Punkt, meint Paul Lürzer abschließend: "Der menschliche Geist gleicht einem Fallschirm: Er kann nur funktionieren, wenn er offen ist."