SN.AT / Leben / Wohnen

Garteln auf dem Balkon

Obst und Gemüse lassen sich auch in der Innenstadt pflanzen und ernten. Selbstversorger wissen, was auf dem Tisch landet. Ungebrochener Trend zum Urban Gardening.

Gemüse und Obst wachsen auch auf dem Balkon.
Gemüse und Obst wachsen auch auf dem Balkon.

Wer darüber nachdenkt, sich im Anbau von Obst und Gemüse zu versuchen, ist damit nicht allein. "Besonders bei Bio-Gemüse- und -Obstpflanzen sowie Kräutern, die unkompliziert und schnell Ertrag bringen, gibt es eine sehr hohe Nachfrage. Alle wollen garteln, auch wenn es ein Kisterl am Balkon ist", erklärt Herbert Eipeldauer, Innungsmeister der Wiener Gartengestalter und Floristen. Ein Trend, der nicht zuletzt durch die Coronapandemie, die Klimadebatte und die Teuerungen beschleunigt wird.

"Jeder, der den Traum von Radieschen im Blumenkisterl oder Äpfeln am Kübelbaum zur Realität werden lässt, weiß, woher das Obst oder das Gemüse kommt, das auf dem Tisch landet. Und besser schmecken tut es vielen auch", erklärt Eipeldauer den Selbstversorgertrend.

100 m2Garten für komplette Selbstversorgung

Um sich fast vollständig selbst mit Obst und Gemüse zu versorgen, müsste man mindestens 100 Quadratmeter Garten bewirtschaften - pro Person. Im urbanen Raum haben die wenigsten einen eigenen Garten, aber mit den richtigen Hilfsmitteln lassen sich wenige Quadratmeter Außenfläche in einen kleinen Nutzgarten verwandeln.

Neben dem klassischen Hochbeet eignen sich vor allem tiefere Tonkübel und Tonkästen, die unkompliziert aufgestellt werden können. Darin wachsen die Pflanzen üppiger als in einem Plastiktopf, bei dem die Wassermengen schneller verdunsten. Wer seine Pflanzen mit viel Liebe pflegt, also individuell gießt und düngt, steigt am besten aus. Das richtige Substrat und die passende Erde sind Voraussetzung.

Um den Ertrag zu steigern oder bei besonders kleinen Außenflächen bietet sich auch vertikales Gärtnern mit dem Palettenbeet an. Platzsparend via Rankgerüste in die Höhe garteln kann man außerdem mit kleinfrüchtigeren Balkonsorten von Zucchini und Snackgurken, natürlich auch mit Stangenbohnen.

Eipeldauer rät Balkonhobbygärtnern, sich auf bestimmte Gemüse- und Obstsorten zu konzentrieren: "Für Spätentschlossene, die erst jetzt einpflanzen und im Herbst noch ernten wollen, bieten sich fertige Pflanzen an wie etwa Tomaten, die bereits Rispen ausgetrieben haben. Blattgemüse wie Pflücksalate, Rucola oder Kresse wachsen schnell und lassen sich alle paar Wochen nachsäen, auch jetzt noch."

Bevor es ans Werk geht, hilft eine Bestandsaufnahme. Welche Bedingungen herrschen auf dem Balkon oder im Garten? Gibt es sonnige, trockene Bereiche oder eher feuchte, schattige? Das ist bei der Auswahl der Pflanzen wichtig. "Welches Gemüse auf dem Balkon angepflanzt wird, ist in erster Linie Geschmackssache. Aber auch die Ausrichtung des Balkons spielt eine große Rolle bei der Gemüseauswahl", weiß der Experte. Ein Süd-West-Balkon ist für mediterrane Pflanzen wie Tomaten, Chili oder Zucchini ideal geeignet, weil er viel Wärme und Sonne bietet. Auf West-, Ost- oder Nordbalkonen bekommen die Pflanzen weniger Sonne, deshalb trocknen sie nicht so schnell aus.

Zahlreiche Kräuter wie verschiedene Minzen, Brunnenkresse, Schnittlauch oder Petersilie gedeihen im Schatten oder Halbschatten. Wenn der Balkon nur kurz Sonne abbekommt, sollte man auf Mangold, Rote Rübe, Feldsalat, Spinat, Blattsalate, Buschbohnen, Radieschen, Kohlrabi oder etwa Brokkoli setzen.

Neben dem Selbstversorgerbalkon orten die Wiener Gartengestalter und Floristen einen weiteren Trend: Immer mehr begehbare Dächer von Wohn-, Gewerbebauten oder Schulen werden begrünt und für das Garteln gestaltet. "Die sogenannten Mieterdachgärten werden speziell im Wohnbau immer öfter gleich mitgeplant. Die Dachgärten kommen bei den Mietern sehr gut an, deshalb wird das Thema in den nächsten Jahren noch stärker kommen", sagt Eipeldauer. Wenn es gleich mitgeplant wird, sind die Mehrkosten überschaubarer.

Karl Ploberger: "Man braucht vor allem Ideen"

Garteln auf dem Balkon ist keine Hexerei. Biogärtner Karl Ploberger kennt die wichtigsten Tipps für eine erfolgreiche Ernte am Balkon.

Was brauche ich, um einen Garten anzulegen, ohne einen Quadratmeter (Erd-)Boden zu besitzen? Karl Ploberger: Im Prinzip nichts anderes als Ideen, ein wenig Muskelkraft und Ausdauer. Denn eines ist klar - ohne Erde geht es nicht. Und die muss irgendwie in den x-ten Stock. Nehmen Sie Bioerde und organischen Dünger. Damit kommt Leben in luftige Höhe.

Welche Pflanzgefäße sollte man wählen? Da ist der Ideenreichtum nicht zu bremsen: Eine alte Badewanne, die ausgetauscht werden musste, kommt nicht zum Sperrmüll, sondern als besonderes Hochbeet auf die Loggia. Töpfe aus Plastik, Wannen aus Kunststoff oder Terrakotta sind das eine. Holzkisten oder Plastikboxen, wie sie zum Transport in Firmen verwendet werden, das andere. Jeder findet in der Umgebung allerlei Nützliches für diesen Garten ohne Garten.

Noch eine Frage, die man sich unbedingt stellen sollte: Wie schwer wird der Garten in luftiger Höhe? Erde, vor allem, wenn sie nass ist, wird extrem schwer. Daher vorweg die Statik prüfen lassen. Und als letztes Problem: Woher das Gießwasser nehmen, ohne die Anrainer und Unterlieger jeden Abend zu ertränken? Streit sollte von vornherein ausgeschlossen sein, denn das Paradies gibt's nur, wenn Friede herrscht.

Welches Gemüse wächst im städtischen Bereich am besten? Wer an Balkongärtnern denkt, der wird wohl in erster Linie an Geranie und Co. denken. Auch das ist schön, doch mehr begeistert mich ein Selbstversorgergarten in luftiger Höhe. Tomaten gehören sicherlich zu den köstlichsten Naschfrüchten am Balkon. Hier sollte man weniger auf die großen Fleischtomaten setzen, lieber auf Cocktail- oder Kirschparadeiser. Sie liefern mehr und süßere Früchte. Minigurken, die "Smiley-Gurke", wachsen perfekt in Ampeln.

Welche Kräuter wachsen gut? Schnittlauch, Petersilie und Basilikum sind ein Muss, das immer gleich ausgiebig mit Hornspänen versorgt wird, denn sie benötigen "Futter". Interessant im Geschmack ist der Salbei, gemeinsam mit Rosmarin und Oregano in einem Kisterl, in dem neben der Bioerde auch noch ein wenig Sand oder Tongranulat eingearbeitet wurde. So gedeihen diese Kräuter hervorragend.

Lässt sich ein Sichtschutz genussvoll gestalten? Stangenbohnen sind da die Favoriten. Sie kommen erst Ende Mai als wärmeliebendes Kind in die Erde. Mein Liebling ist "Blauhilde". Sie erobert rasch Bambusstäbe oder Gitter, hat schönes Laub und interessante Blüten. Die Schoten sind blau, färben sich aber, sobald sie ins heiße Wasser kommen, grün.

Beerenträume - am Balkon? Erdbeeren lassen sich auch in Töpfen ziehen, Hängeerdbeeren, in Ampeln gesetzt, lassen einem die Früchte direkt in den Mund wachsen. Nicht fehlen dürfen die Himbeeren, empfehlenswert ist die Herbsthimbeere "Autumn Bliss". Bei den Heidelbeeren - unbedingt in kalkfreier Erde - ist die Sorte "Blue Crop" ein Hit.