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Diese neuen Wohntrends warten auf uns

Das Wohnen steht vor vielfältigen Veränderungen. Zahlreiche Megatrends beeinflussen, wie die Menschen künftig leben und arbeiten werden.

„Hoffice“ ermöglicht das Wohnen und Arbeiten auch fernab der Ballungszentren.
„Hoffice“ ermöglicht das Wohnen und Arbeiten auch fernab der Ballungszentren.
Zukunftsforscherin Oona Horx-Strathern sieht viele Veränderungen auf das Wohnen, die Städte und die Bevölkerungsstruktur zukommen.
Zukunftsforscherin Oona Horx-Strathern sieht viele Veränderungen auf das Wohnen, die Städte und die Bevölkerungsstruktur zukommen.

Wenn es um das Thema Wohnen geht, dann sollte ein Blick auf die gesellschaftlichen Megatrends nicht fehlen. Einen solchen wirft auch die Expertin Oona Horx-Strathern gemeinsam mit dem Zukunftsinstitut in ihrem Homereport 2021. Sie identifiziert eine Reihe von Megatrends, etwa die Urbanisierung, die Globalisierung, die Neo-Ökologisierung, die Sicherheit und vor allem die Individualisierung.

Wohnprojekte helfen gegen Einsamkeit

Gerade in Bezug auf Letztgenannte lassen sich einige Entwicklungen beim Wohnen erkennen, etwa das "Housing Plus". Horx: "Es gibt immer mehr Singlehaushalte, das rückt das Tabuthema ,Einsamkeit' in den Vordergrund." Wobei es hier einen großen Unterschied gibt, zwischen "allein leben" und "einsam sein". Einsamkeit entsteht primär durch soziale Isolation und nicht zwangsläufig durch das Singlewohnen. "Gegen Einsamkeit kann auch die Wohnsituation helfen. So hat sich in Großbritannien beispielsweise während des Lockdowns eine Oldie-WG aus drei Omas gebildet, um der Einsamkeit zu entgehen. Sie überlegen jetzt, ob sie diese Wohnform nicht generell beibehalten werden."
Horx erzählt auch von einem anderen Wohnprojekt in Schweden. Dort dürfen nur Menschen unter 25 oder über 70 Jahren einziehen. Und sie müssen sich dazu verpflichten, pro Woche mindestens zwei Stunden miteinander zu reden. "Wer das nicht tut, muss ausziehen", betont Horx. 72 Mieter würden dort "Individualität in Gemeinschaft" leben. Sie sieht in solchen Projekten Beispiele dafür, dass es künftig beim Wohnraum weniger um die Quadratmeter gehen wird als darum, wie viel Shared Spaces es in der Anlage gibt.

Die resiliente Stadt

Die resiliente Stadt ist ein weiteres Beispiel, das in den Megatrend Konnektivität eingebettet ist. Gerade in Zeiten des Lockdowns hätten sich neue Gefühle von Konnektivität entwickelt. Viel hat mit einer neuen Vernetzung zu tun. Horx nennt die 15-Minuten-Stadt als Beispiel. Ziel einer solchen vernetzten Stadtplanung ist es, dass jeder Bewohner alle Services innerhalb von 15 Minuten zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen kann. Darunter fallen etwa Märkte, Geschäfte, Ämter, Apotheken, Sportanlagen oder Lokale. Oft fehlen in Städten auch öffentliche Räume. Vancouver verfolgt etwa das Ziel der Ten-Minutes-City: Innerhalb von zehn Minuten sollte jeder Bewohner eine Grünfläche erreichen können. Gerade der Drang nach draußen sei ein wichtiger Wohntrend, attestiert die Expertin. So gebe es in vielen Städten einen "Balcony-Boom", vielerorts werden Balkone nachträglich angebaut. "Balkon bedeutet nach den Erfahrungen des Lockdowns eine spezielle Freiheit. Man ist draußen bei den anderen und trotzdem voneinander getrennt." In Zeiten wie jetzt höre man deshalb oft das Motto "Balcony makes the home free."

"Hoffice" - Verbindung von Wohnung und Arbeit

Der prägende Trend dieser Tage ist aber die Verbindung von Wohnen und Büro in Form des Homeoffice. "Hoffice" nennt Horx diesen Trend, wobei für sie das "H" auch für "Hoffnung" steht. "Da wird sich noch viel weiterentwickeln", erwartet die Zukunftsforscherin: "Man wird einmal zu Hause arbeiten, dann wieder im Büro." "Hoffice" fällt in den Megatrend "New Work", wobei sich aktuell gezeigt hat, dass die Verlagerung der Arbeit nicht zwangsläufig nur nach Hause erfolgt. Es gibt auch sogenannte "Third Places", die in öffentlichen Räumen liegen können. Dass der Trend zum "Hoffice" weitergeht, unterstreicht auch eine Schweizer Studie. Demnach wollen 70 Prozent der 41- bis 50-Jährigen auch künftig von zu Hause aus arbeiten. Das bedingt aber gewisse Erwartungen an diese Räume: Man will in Ruhe arbeiten, es geht um Sitzkomfort, technische Ausstattung, Funktionalitäten oder Ergonomie. Horx: Der Trend zum offenen Bauen wird sich deshalb wieder abflachen, man braucht getrennte Räumlichkeiten, das kann durchaus auch eine ausgebaute Hütte im Garten sein. Benötigt werden Privatheit und Rückzugsorte. Und schließlich wird sich durch den Trend zum "Hoffice" auch die Bevölkerungsstruktur ändern. "Viele Städter ziehen dann weg in Immobilien und Gegenden, wo mehr Raum ist. Dadurch sinken die Preise in den Städten, die Citys werden grüner und locken damit wiederum junge Familien an." Dagegen würden Kleinwohnungen die Gefahr beinhalten, dass man sich nicht beschützt, sondern eingesperrt fühlt.

Ökologische Materialien im Fokus

Dieses neue Wohnen setzt auch auf andere Materialität, entlang des Megatrends Neo-Ökologisierung. Weil viel mehr Zeit in den eigenen Wänden verbracht wird, entwickelt sich diesbezüglich gerade ein ganz neues Bewusstsein. Ein britisches Architekturbüro hat beispielsweise ein Haus aus Kork entwickelt. Die einzelnen Korkziegeln lassen sich wieder auseinandernehmen und neu verwenden. Plastik sei heute oft nur mehr dann akzeptiert, wenn es sich um recycelte Materialien handle. Gefragt ist bei den Werkstoffen mehr Authentizität. Gifte oder gefährliche Stoffe in Farben und Möbeln sind gar nicht erwünscht.
Eine Möglichkeit, auf all diese neuen Herausforderungen beim Wohnen und Arbeiten zu reagieren, ist modulares Bauen. Das ist laut Horx ökologischer, lässt sich schnell aufstellen, verursacht weniger Bauschutt, ermöglicht viel Design, bietet besondere Qualität und Planungssicherheit. Und es lässt sich auf die sich ändernden Ansprüche an das Wohnen einstellen. Dazu gehört auch das Comeback des Handwerks. Horx: "Man will wieder wissen, wer der Tischler ist."