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"Die beste Energie ist die, die nicht gebraucht wird"

Sie arbeiten hinter den Kulissen an der Energiewende: Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechniker führen Alternativenprüfungen durch, erstellen Wirtschaftlichkeitsberechnungen und planen individuelle Energielösungen.

Ein neues Heizungskonzept sollte langfristig geplant werden.
Ein neues Heizungskonzept sollte langfristig geplant werden.

Andreas Rotter ist der Landesinnungsmeister der Salzburger Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechniker. Darüber hinaus ist er auch Obmann des Vereins Zukunftsforum SHL, der sich als unabhängige Informationsplattform rund um das Thema Heizungsmodernisierung positioniert. Welche Faktoren Einfluss auf die Wahl der Heizung nehmen können und warum es wichtig ist, sich mit einem Heizkesseltausch frühzeitig zu beschäftigen, erläutert Rotter im Interview mit den "Salzburger Nachrichten".

Ein Hausneubau oder eine Sanierung - verbunden mit einem Heizkesseltausch- wirft für Laien viele Fragen auf. Wie findet man das passende Heizsystem, Herr Rotter? Andreas Rotter: Bei einem Neubau besteht im Grunde kein großer Spielraum, was die Auswahl des Heizsystems betrifft. Der Gesetzgeber gibt hier klare Richtlinien vor. Sprich: Es versteht sich heute von selbst, dass ein neu errichtetes Gebäude mit erneuerbaren Energiequellen versorgt wird - anders darf gar nicht mehr gebaut werden. Die gesetzlichen Vorgaben knüpfen an die OIB-Richtlinie an und auch die Förderungen sind an die Einhaltung dieser Normen gekoppelt. Im Regelfall stehen zwei Systeme zur Auswahl: Wärmepumpen oder Holzheizungen - beides kombiniert mit einer Photovoltaik- oder einer Solaranlage. Was die Leistung der Anlagen betrifft, kommt es dann darauf an: Je nachdem, wie optimal das Haus wärmeisoliert ist, desto mehr - oder eben weniger - muss die Haustechnik "leisten". In diesem Zusammenhang gilt für unsere Arbeit immer der Leitsatz: Die beste Energie ist die, die nicht benötigt wird.

Wie verhält es sich im Bereich der Gebäudesanierung und konkret bei einem Heizkesseltausch? Wie läuft das in Ihrer Berufspraxis ab? Zu meiner Aufgabe als Installateur gehört es zuallererst, bei jedem Objekt zu eruieren, welche Art der Infrastruktur vor Ort zur Verfügung steht und genutzt werden kann. Das Ölkesseleinbauverbot ist an eine sogenannte Alternativenprüfung gekoppelt, die seit Herbst behördlich vorgeschrieben ist. Das bedeutet nichts anderes, als dass geprüft werden muss, welche dezentralen Energieversorgungssysteme zur Verfügung stehen. So kann es unter Umständen sein, dass ein Kunde vielleicht eine Wärmepumpe möchte, sein Haus sich aber unmittelbar neben einer Fernwärmeleitung befindet. In so einem Fall besteht für den Kunden dann auch die Verpflichtung, an die Fernwärme anzuschließen. Ausnahmen sind natürlich möglich, müssen aber gut begründet werden.

Wenn ein Kunde seinen alten Heizkessel unbedingt durch eine Wärmepumpe ersetzen möchte, ist das also nicht in jedem Fall möglich? Das kann durchaus sein. Eine zentrale Rolle spielt auch das Alter des Gebäudes. Wenn ein Haus im Jahr 1946 errichtet worden ist, verfügt es meistens nur über eine Anschlussleistung von 2,5 Kilowattstunden. Für die Installation einer Wärmepumpe wären aber zusätzliche Anschlusskapazitäten von mindestens sechs Kilowattstunden erforderlich, die nachgekauft werden müssten. In so einem Fall müsste auch mit dem Versorger geklärt werden, ob eine Nachrüstung grundsätzlich möglich ist. Eine andere Hürde könnte auch der Gebäudezustand sein: Ist der Keller nicht in einem optimal trockenen Zustand, schließt das zum Beispiel die Bevorratung von Pellets aus. Dazu kommt, dass die Lagerung der Pellets verhältnismäßig viel Platz erfordert, der ja oft dringender gebraucht wird. Zusammengefasst bedeutet das: Es gibt infrastrukturelle und technische Hürden, die die Bandbreite der Alternativen einschränken können. Das bedeutet weiter: Erst wenn alle Varianten geprüft und begutachtet sind, kann eine Angebotslegung erfolgen.

"„Alle Alternativen müssen geprüft werden.“"
Andreas Rotter
LIM

Eine Frage zum besseren Verständnis: Wenn man Strom mittels eigener PV-Anlage erzeugt und damit eine Wärmepumpe betreibt, müsste das die externe Versorgungsleistung doch eigentlich reduzieren? Aus Sicherheitsgründen muss die Kapazität der Photovoltaikanlage der Anschlussleistung eines Gebäudes genau entsprechen. Wenn wir also bei unserem Beispiel von einem Nachkriegsgebäude bleiben, entspricht die Anschlussleistung hier einem Wert von 2,5 Kilowattstunden. Somit dürfte auch die Photovoltaikanlage diese Leistungsgrenze nicht überschreiten. Erst nach Klärung mit dem Energieversorger kann Strom für die Erweiterung der PV-Anlage nachgekauft werden.

Es ist also eine Reihe von Überlegungen und Planungen anzustellen, bis es überhaupt an eine Umsetzung gehen kann. Im Best-Practice-Fall: Wie geht der Kunde vor? Das Wichtigste ist, die Planung eines Heizkesseltauschs rechtzeitig - also ein paar Monate vor der Realisierung - anzugehen. So ist es möglich, alle Alternativen gründlich auszuloten und zusammen mit dem Installateur eine passende Lösung zu finden. Nach einer umfassenden Begutachtung kann sich nämlich zum Beispiel auch herausstellen, dass vor einem Kesseltausch vielleicht noch andere bauliche Maßnahmen sinnvoll wären. Ist ein Gebäude schlecht gedämmt, wird auch die Installation einer Wärmepumpe nicht viel bringen, weil die Wirtschaftlichkeit einer solchen Anlage mit steigenden Betriebstemperaturen sinkt. Dazu kommt, dass es nahezu unmöglich ist, ein schlecht saniertes Haus mit einer Wärmepumpe zu betreiben, weil diese Anlagen dafür einfach nicht ausgelegt sind.

Sie raten also, sich vor einem Heizkesseltausch vorerst einmal mit der Wärmedämmung zu beschäftigen? Wenn es einen größeren Wärmeverlust bei einem Gebäude gibt, empfehlen wir oft eine Teilsanierung. Deswegen, weil sich damit einfach größere Spielräume ergeben. Es stellt einen enormen Unterschied dar, ob auf einer Wohnfläche von 100 Quadratmetern zehn Kilowattstunden oder fünf verbraucht werden. Bereits eine kleine Wärmepumpe kann eine Leistung von fünf Kilowattstunden erbringen - der Einbau geht schnell und unkompliziert. Gleiches gilt natürlich auch für die Anbringung von Photovoltaik- oder Solaranlagen. Wenn die Dachziegel zum Beispiel schon grün und moosig sind, empfiehlt es sich vielleicht, das ganze Dach zu sanieren. Soll heißen: Mit einer Maßnahmenkombination kann man oft wesentlich bessere Gesamtergebnisse erzielen. Dazu kommt, dass man mit einer Bündelung der Sanierungsmaßnahmen auch wesentlich höhere Förderungen erhält. Wenn der Umbau allerdings über 25 Prozent der Kubatur eines Hauses betrifft, fällt das schon wieder in den Regelungsbereich des "Neubaus".

Wie sehr beeinflussen die derzeitigen Energiepreise Ihre tägliche Arbeit? Für bestehende Kunden ergibt sich durch einen Umstieg derzeit noch ein moderater finanzieller Aufwand, anders ist das schon bei den Neukunden. Da schlagen die Energiepreise schon jetzt ordentlich zu Buche. Wenn wir als Installateure eine Wirtschaftlichkeitsberechnung der verschiedenen Heizsysteme anstellen, zeigen sich hier schon erhebliche Auswirkungen. Wo sich früher die Investition in ein neues Heizsystem innerhalb von zwölf Jahren gerechnet hat, sehen wir heute, dass sich die Amortisationszeiträume deutlich verlängern. Der Punkt ist, dass so ein Umstieg ja auch für den Kunden lukrativ sein sollte. Der Anreiz eines Heizkesseltauschs besteht ja nicht ausschließlich darin, etwas Gutes für die Umwelt zu tun. Es soll sich ja auch lohnen! Unser Lösungsvorschlag besteht deshalb darin, noch stärker bei der Wärmedämmung eines Gebäudes anzusetzen, sodass sich auch der erforderliche Grundenergieaufwand in Grenzen hält.

Gibt es Fälle, wo Sie keine Alternativen zum Heizöl sehen? Auch die gibt es. Seitens des Gesetzgebers wird klar formuliert, dass dort, wo es keine Alternativen gibt, auch nicht geprüft werden muss. Es kommt wirklich immer auf die individuelle Situation an. So sind beispielsweise Tiefenbohrungen für Erdwärmepumpen auch nicht uneingeschränkt möglich, sondern nur, wenn die Geologie es zulässt. Die gute Nachricht ist aber: Es gibt für jedes Haus die passende Lösung. Wichtig ist, dass Heizkonzepte immer langfristig gedacht und geplant werden.

An welchen Stellschrauben müsste noch gedreht werden, damit der Umstieg in eine fossilfreie Zukunft gelingt? Eine Herausforderung stellen sicherlich die fehlenden Kapazitäten in der Versorgungsinfrastruktur dar, die Wunschlösungen oft noch verhindern. Wir müssen derzeit aktuell mit Brückenlösungen - wie zum Beispiel Gas - arbeiten, bis in zehn bis 15 Jahren eine Ausbaustufe erreicht ist, die dann eine vollständige Energieversorgung gewährleistet. Das bedeutet: Im Moment ist leider vieles noch nicht so realisierbar, wie wir uns das wünschen würden. Als Installateure können wir nur die technischen Anlagen bereitstellen und die Kunden bestmöglich informieren und beraten.