SN.AT / Leben / Wohnen

Die Baustelle der Zukunft ist CO2-neutral

Schon mit organisatorischen Maßnahmen lässt sich viel einsparen. Neue Antriebstechnologien oder regionaler Einkauf helfen ebenfalls.

Auf der Baustelle der Zukunft wird es ruhig zugehen und nicht nach Diesel riechen.
Auf der Baustelle der Zukunft wird es ruhig zugehen und nicht nach Diesel riechen.

Die Bauindustrie ist für zehn Prozent aller Emissionen weltweit verantwortlich. In der Bauausführung könnten jedoch bereits heute Emissionen eingespart werden. Wie dies in wenigen Schritten gelingt, zeigen Forscher der Technischen Universität (TU) Wien.

Auf Baustellen werden große Mengen CO2 ausgestoßen. Die Baubetriebsforscher Leopold Winkler und Maximilian Weigert von der TU Wien analysierten, wie sich die CO2-Bilanz im Baubetrieb verbessern lässt. Klar ist für die beiden Experten: Eine bloße Kompensation der Treibhausgase greift zu kurz. Die von ihnen veröffentlichte Studie "CO2-neutrale Baustelle" zeigt Maßnahmen, die bereits 2022 zur Verringerung des CO2-Ausstoßes auf Baustellen beitragen sollen.

Bessere Luft und leisere Maschinen

Viele der Maßnahmen sind organisatorischer Natur, einige erfordern die selbstständige Erzeugung von Elektrizität, andere den Einsatz neuer Antriebstechnologien sowie den Zukauf nachhaltig erzeugten Stroms.

Wird die Baustelle der Zukunft betreten, fällt sofort auf: Es ist ruhig, es riecht nicht nach Diesel, Bautätigkeiten laufen geordnet ab und Transportfahrzeuge tragen lokale Kennzeichen. "Indem die Materialien regional bezogen und just in time zur Baustelle gebracht werden, sparen wir Wege", betont Maximilian Weigert. Außerdem werden Maschinen elektrisch betrieben, dadurch wird es auf der Baustelle leiser und die Luft besser.

Einsparpotenziale werden vorab erhoben

Organisatorische Maßnahmen, die zur Einsparung von Treibhausgasemissionen beitragen, fangen jedoch schon weitaus früher an. "Bereits vor Baubeginn wird abgeschätzt, wie viel CO2 durch die notwendigen Bautätigkeiten verursacht wird. Dadurch werden Einsparpotenziale erhoben und Verantwortliche sensibilisiert", erklärt Leopold Winkler. Einsparpotenziale sehen die Forscher nicht nur bei den Bauprozessen selbst, auch eine energieautarke Baustelleneinrichtung ist geplant: "Der Baucontainer ist thermisch besser gedämmt, auf seinem Dach befinden sich Solarpaneele, um eigenen Strom zu erzeugen, und effiziente Beleuchtungstechnik, Heiz- und Kühlsysteme verringern den Energieeinsatz", beschreibt Weigert das mobile Baubüro der Zukunft.

Neu: Klimaverträglichkeitsbeauftragte

Auf der klimaneutralen Baustelle wird es auch Klimaverträglichkeitsbeauftragte geben müssen. Sie sollen laufend kontrollieren, dass die Maßnahmen zur Klimaverträglichkeit umgesetzt werden und keine Energie verschwendet wird. Teile des verwendeten Stroms können aus Sonne und Wind direkt auf der Baustelle erzeugt werden, der weitere Strombedarf wird durch Zukauf von Anbietern erneuerbarer Energie gedeckt. Baumaschinen, die aufgrund ihrer Größe nicht elektrisierbar sind, werden mit nicht-fossilen Kraftstoffen wie E-Fuels, Wasserstoff und Biodiesel angetrieben.

Grafik: TU Wien-IBPM, RMA
Grafik: TU Wien-IBPM, RMA

"Wir werden bei Baufahrzeugen einen weiteren großen Entwicklungsschub feststellen. Neue Antriebstechnologien stellen bereits in naher Zukunft eine kosteneffiziente Alternative dar", erklärt Winkler. Folglich lassen sich bereits Treibhausgasemissionen einsparen, indem organisatorische Maßnahmen ergriffen werden und technologische Entwicklungen die Baubranche erreichen. Energie wird nachhaltig vor Ort erzeugt oder zugekauft. Die Emissionen, die dennoch nicht vermieden werden können, werden finanziell kompensiert. In ihrer Studie weisen die Forscher ein Reduktionspotenzial vor Kompensation von bis zu 50 Prozent aus.

Im Rahmen des Projekts "CO2-neutrale Baustelle" fanden die Forscher außerdem heraus, dass vor allem die entstehenden Kosten abschreckend auf die Akzeptanz der Maßnahmen wirken. "Dabei konnten wir zeigen, dass viele Maßnahmen kostenneutral bis kostenpositiv sind. Beispielsweise rentiert sich die Anschaffung kleiner E-Bagger in vielen Fällen bereits heute", stellt Weigert in Aussicht. "Zwar sind batteriebetriebene Fahrzeuge in der Anschaffung teurer als Verbrenner, doch sind die Kosten für Antrieb und Wartung meist niedriger."

Das Projekt "CO2-neutrale Baustelle" wurde im Rahmen des Forschungsprogramms "Stadt der Zukunft" in der siebten Ausschreibung des Bundesministeriums für Klimaschutz (BMK) durch die FFG gefördert und mit der Ressourcen Management Agentur (RMA) abgewickelt. Bereits nächstes Jahr soll die erste CO2-neutrale Baustelle Österreichs tatsächlich umgesetzt werden. Projektpartner werden weiterhin gesucht.