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Designmonat: In Graz findet Zukunft statt

Das geschieht aktuell im Designmonat in Graz. Vom Designwettbewerb zu Überlegungen, wie die Kreativwirtschaft das Morgen besser gestalten könnte.

Design für den öffentlichen Raum steht derzeit in Graz im Fokus.
Design für den öffentlichen Raum steht derzeit in Graz im Fokus.

Wenn in Graz plötzlich Dinge herumstehen, die dort sonst nicht anzutreffen sind, könnte gerade Designmonat sein. Dessen Veranstalterin, die Creative Industries Styria (CIS), mischt sich seit 2007 unter anderem in die Gestaltung des öffentlichen Raums ein beziehungsweise will dort mitmischen. Die Clusterorganisation nutzt den Wonnemonat, um ihre Arbeit sichtbar zu machen und das ist in erster Linie die Vernetzung der Kreativwirtschaft mit Wirtschaftsbetrieben und die Förderung von Kooperationen.

Worklets im öffentlichen Raum für das Homeoffice

Heuer standen im Raum sogenannte Worklets, das sind mobile Sitz- und Arbeitsplätze für den ländlichen Bereich - nach dem Motto: Homeoffice kann durchaus mit schönem Blick in die Landschaft erfolgen. Im Vorjahr hieß der Auftrag, Parklets zu gestalten: Dabei wird jeweils ein Autostellplatz zweckentfremdet zugunsten eines Aufenthaltsplatzes beziehungsweise einer Sitzgelegenheit aus Holz - und das in einer Stadt, in der Parkplätze rar sind.

Diese Sitzgelegenheiten entstanden in einem Wettbewerb, bei dem sich jeweils eine Person oder ein Unternehmen aus dem Designbereich mit einem Handwerksbetrieb an die Planung und Umsetzung macht. Für die Worklets ist diese höchst unterschiedlich ausgefallen: Eine Paarung hat sich beispielsweise für eine Sitzgelegenheit unter dem Schutz einer gebogenen Wabenkonstruktion entschieden, eine für überdimensionale Obstkisten und eine Kooperation nahm sich das steirische Herz als Ruhepol vor. Auch die politische Dimension wird dabei berührt, etwa indem man wie im Vorjahr aufzeigt, dass auf einem Autoabstellplatz statt eines Pkw ein Stück Lebensgefühl Platz nehmen kann. Doch auch der Spaß darf nicht zu kurz kommen: Ein traditionelles Format im Designmonat ist die Designbattle, bei der ein von der CIS zusammengestelltes Zweierteam innerhalb von 24 Stunden ein Möbelstück gestalten muss, und zwar von der Planung bis zur Fertigung des Prototyps in einem Tischlereibetrieb.

Nachhaltigkeit ist das Motto des heurigen Designmonats

Der diesjährige Designmonat, der noch bis 12. Juni läuft, steht unter dem Motto Nachhaltigkeit. Und hier sieht CIS-Geschäftsführer Eberhard Schrempf den Designbereich als maßgeblichen Mitgestalter für eine grünere Zukunft. Denn mittlerweile gehört zur DNA von Designschulen, Produkte und Prozesse nicht nur nachhaltig zu gestalten, sondern sich auch über die vor- und nachgelagerten Prozesse zu kümmern: Woher stammen das Material oder die Rohstoffe des Produkts? Ist nach Ende des Produktzyklus eine Wiederverwertung möglich? Junge Designerinnen und Designer, so beobachtet Schrempf, wollen mit ihrer Arbeit nicht mehr die Rolle eines Dienstleisters übernehmen, sie möchten Zukunft designen und Verantwortung übernehmen.

"Greenwashing funktioniert bei dieser Generation nicht mehr", sagt Schrempf. Deshalb ist auch Architektur eine wichtige Disziplin bei Creative Industries Styria, denn letztlich sei der öffentliche Raum so zu gestalten, dass das Leben in den wachsenden, heißer werdenden, von Straßenverkehr belasteten Städten auch künftig lebenswert bleibt, Stichwort Urban Design.

„Design meint die intelligente Gestaltung von Lebensraum“
Eberhard Schrempf, Geschäftsführer Creative Industries Styria

Nicht zuletzt hänge auch der Geschäftserfolg von einer frühzeitigen Einbindung von Design ab, so habe man in Großbritannien über einen Zeitraum von zehn Jahren börsenotierte Firmen beobachtet, wie sich eine frühe oder spätere Einbindung von Design auf die Kurse auswirke. Ergebnis: Je früher Design bei der Produkt- oder Prozessentwicklung eingebunden wurde, desto langfristiger und stabiler war das Produkt und höher der Ertrag.

Entstehung von Creative Industries Styria

Entstanden ist CIS, nachdem man an den Erfolg von Graz 2003 als Kulturhauptstadt anknüpfen wollte. Die Idee: Das Loch, das sich zunächst auftat, könne man doch füllen, indem man Graz zur City of Design mache. Eberhard Schrempf, der schon für das Kulturjahr 2003 verantwortlich zeichnete, wurde Geschäftsführer. Zuvor ließ man - in Großbritannien und den USA hatte sich die neue Kreativbranche gerade zu etablieren begonnen - eine Potenzialanalyse erstellen, wie es überhaupt um die Kreativwirtschaft in Graz und der Steiermark bestellt sei. Heraus kam: Es gibt nicht nur angesehene Bildungseinrichtungen wie den Studiengang Industrial Design an der Fachhochschule Joanneum und sehr viele, vor allem kleine Kreativunternehmen, sondern auch Bedarf an Designleistungen, aber kaum Vernetzung zwischen Kreativen und Betrieben.

Design ist maßgeblich in jedem Gestaltungsprozess

Design selbst, so sagt Schrempf, diene nicht der Behübschung, sondern sei ein maßgeblicher Faktor in jedem Gestaltungsprozess, das beginne schon am Morgen mit der Zahnbürste beim Zähneputzen. "Es gibt nichts von Menschenhand Geschaffenes, das nicht mit Design zu tun hat", sagt Schrempf. Um das bewusst zu machen, wurde im Designmonat eine Design Clinic eingerichtet. Dabei stellen Designerinnen und Designer unentgeltlich ihre Expertise zur Verfügung, um etwa eine Unternehmenshomepage auf ihre Funktionalität abzuklopfen oder um Ideen für ein Beleuchtungskonzept für einen Shop zu geben. Was Eberhard Schrempf dabei freut: Unter den Hilfesuchenden sind viele Start-ups, die oft deswegen scheitern, weil zwar die Idee gut ist, aber das Design außen vor gelassen wird. Und gerade beim Markendesign zeigt sich immer wieder: Wenn die Marke nicht stark genug ist, lässt sich auch im Nachhinein nicht mehr viel reparieren.

Neudenken von Lebensraum: Es braucht einen Plan

Ob es nun die Gestaltung des öffentlichen Raums betrifft, die eines Produkts oder den Aufbau einer Marke: Es braucht einen Plan. Die Herkulesaufgabe jedenfalls ist das Neudenken von Lebensraum. Ein damit verbundenes "Anders- oder Neudenken" zeigt sich auch in Graz als nicht immer einfach zu stemmende Aufgabe. Doch als City of Design habe man eine Bringschuld, sagt Schrempf, immerhin kämen jedes Jahr Vertreter aus anderen Designstädten nach Graz, um mit neuen Ideen nach Hause zu fahren. Ein anschauliches Beispiel hat er aus einer Partnerstadt in Mexiko mitgebracht: Dort wurde die Kreativwirtschaft aufgerufen, Zebrastreifen neu zu gestalten, nach der Umsetzung seien die Unfälle um 40 Prozent zurückgegangen. Die Voraussetzungen für Neues seien gerade in der zweitgrößten Stadt Österreichs optimal: Graz ist einerseits UNESCO-Weltkulturerbe, das die Geschichte, die Vergangenheit schützt, und City of Design, in der das Morgen gestaltet werden kann. "Wir müssen halt offen dafür sein und den Finger draufhalten", sagt Schrempf.