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Der Ziegel als wertbeständiger Baustein

Der Ziegel gehört zu den am längsten verwendeten Baustoffen der Menschheitsgeschichte. Durch seine physikalischen Eigenschaften steht der aus Lehm gebrannte Baustein hoch im Kurs.

Wie werden Ziegel hergestellt und welche Vorteile haben sie gegenüber anderer Baumaterialien?
Wie werden Ziegel hergestellt und welche Vorteile haben sie gegenüber anderer Baumaterialien?
Wie werden Ziegel hergestellt und welche Vorteile haben sie gegenüber anderer Baumaterialien?
Wie werden Ziegel hergestellt und welche Vorteile haben sie gegenüber anderer Baumaterialien?

Aktuelle Anforderungen an Baumaterialien sind vielfältig. In welcher Weise die verschiedenen Baustoffe zeitgemäße Ansprüche erfüllen, ist auch Forschungsgegenstand im Salzburger Kompetenzzentrum für Bauforschung. Geschäftsführer Gunther Graupner im Gespräch über den Multitasker Ziegel.

Seit Menschengedenken werden Ziegel für den Hausbau verwendet - wie werden sie heute hergestellt? Gunther Graupner: Grundsätzlich ist der Ausgangsrohstoff zur Ziegelherstellung über Jahrhunderte der gleiche geblieben: Es ist Lehm, der gebrannt wird. Im Laufe der letzten Jahrzehnte und aufgrund der höheren energetischen Anforderungen wurde die Zusammensetzung des Tons jedoch sukzessive adaptiert und an zeitgemäße Standards angepasst. So werden dem Lehm heute Zusatzstoffe - wie etwa feine Holzspäne - beigemengt, um die Dichte des Baustoffs zu reduzieren und bessere Dämmwerte zu erreichen.

Es gibt verschiedene Ziegelarten. Wodurch unterscheiden sie sich und wofür werden sie verwendet? Grundsätzlich gibt es heute einige gängige Standardformate, deren Systeme miteinander kompatibel sind. Ausgehend vom klassischen Normalformat - dem "NF-Ziegel" (12,5 x 25 x 6 Zentimeter), der in den 50er- und 60er-Jahren häufig verwendet wurde - hat sich, was die Form und Ausgestaltung betrifft, bei diesem Produkt sehr viel getan. Im Gegensatz zum recht kompakten historischen Normalformat werden zeitgemäße Ziegel heute zum Beispiel mit Luftkammern versehen. Dadurch wird erreicht, dass sich der Wärmedurchgang verlangsamt und die Energie länger im Baustoff verbleibt, ebenso wie bei aufgeschäumten Dämmstoffen. Die Ziegel sind auch höher geworden: Das hat den Hintergrund, dass man beim Arbeiten schneller vorankommt, eine Ziegelschar ist heute zwischen 20 und 25 Zentimeter hoch. Was die Verwendung betrifft, kann man ganz grob zwischen zwei Arten unterscheiden: tragende Ziegel, also jene, die einer verstärkten Belastung standhalten, und jene, die man für nicht tragende Zwischenwände einsetzt. Für nicht tragende Zwischenwände gibt es einige Optionen. Was ein Ziegel "leisten" kann und soll, welche Dämmwerte er erreicht usw., wird aber vor allem bei Außenwänden schlagend.

Der Ziegelbau hat eine lange Tradition im Alpenraum. Worauf basiert dieses Vertrauen? Grundsätzlich verhält es sich mit Ziegeln ähnlich wie mit Holz: Auch Lehm ist ein heimisches Material, das - historisch gesehen - immer sehr gut regional verfügbar war. Lehmgruben gibt es in ganz Österreich. Ein guter Grund, der für die Verwendung von Ziegeln spricht, ist, dass man damit alle möglichen Formen errichten kann: Bögen ebenso wie gerade Wände. Dazu kommt, dass Ziegel sehr beständig sind. Mittlerweile erreicht ein Ziegelbauwerk bis zu vier sogenannte Umnutzungszyklen. Mit diesem Begriff ist gemeint, dass ein Grundriss verändert bzw. ein Gebäude den Bedürfnissen der Bewohner entsprechend angepasst wird.

Im Vergleich mit anderen Baustoffen: Womit kann der Ziegel punkten? Worin liegen Vorteile eines Ziegelbauwerks? Die drei Top-Argumente für ein Ziegelbauwerk lassen sich aus meiner Sicht mit dem guten Werterhalt, der langen Lebensdauer und der Umnutzbarkeit zusammenfassen. Spannend ist in dem Zusammenhang natürlich auch die Resistenz gegen Wasserschäden, ebenso wie die Brandbeständigkeit des Materials. Bei Letzterem muss man fairerweise aber sagen, dass sich auch die "Performance" von Holzmassivgebäuden in diesem Punkt durchaus sehen lassen kann.

Ist eine Wärmedämmung zwingend erforderlich, wenn man mit Ziegel baut? Nein, nicht mehr: Grundsätzlich hat sich hier in der Ziegelentwicklung ganz, ganz viel getan. Bis vor ungefähr zehn bis fünfzehn Jahren war es noch so, dass Ziegel nur in Kombination mit einer Wärmedämmung verbaut wurden. Standard heute sind (vor allem 38er- oder 50er-)Ziegel, bei denen die Wärmedämmung (Mineralwolle oder Perlite) schon im Ziegel verfüllt wurde bzw. alternativ dazu viele Luftkammern angelegt sind. Die traditionelle Variante besteht natürlich auch nach wie vor: Hier wird das tragende Bauteil aus Ziegeln errichtet (etwa 20 oder 25 Zentimeter) und eine Dämmung in der Stärke zwischen 14 und 16 Zentimetern aufgebracht. Alle drei Systeme sind heute gängig, wobei sich im privaten Bereich eine Verschiebung zugunsten des sogenannten monolithischen Bauens abzeichnet. Im Geschoßwohnbau sind dem empfindliche Grenzen gesetzt: Hier verhält es sich so, dass jene Ziegel, die ohne Dämmung auskommen, der statischen Anforderung maximal bis zum vierten Geschoß standhalten, dann wird es schwierig.

Der Entwicklung von Baukonzepten ohne zusätzliche Dämmung widmete sich ja auch ein Forschungsprojekt der ARGE Ziegel Bau Zukunft? Grundsätzlich war der Anspruch an dieses Projekt, zu erforschen, ob Ziegelgebäude ohne zusätzliche Dämmung die heutigen hohen Ansprüche an Behaglichkeit auch erfüllen können. Gleichzeitig sollte in dem Zusammenhang festgestellt werden, welche Auswirkungen der Eintrag der Sonne bei einem Ziegelgebäude auf der Außenfassade zeigt. Als Resultat ergab sich, dass die Masse der 50-Zentimeter-Ziegelmauer besonders gut speicherte und die Temperatur im Innenraum weitgehend konstant hielt. In den Versuchen wurde sogar nachgewiesen, dass Gebäude mit einer Hülle aus 50 Zentimetern Planziegeln mit einem U-Wert von 0,15 W/mK (Wärmeleitfähigkeit) weniger Energie verbrauchen als ursprünglich angenommen. Dieser positive Effekt ergibt sich, weil die Wärme an sonnigen Wintertagen bis zu 20 Zentimeter tief in den Ziegel eindringt und dort gespeichert wird. Damit konnte auch der Beweis erbracht werden, dass Ziegelmauern ohne Zusatzdämmung thermisch hocheffizient sind und Temperaturschwankungen sehr gut ausgleichen können. Derzeit läuft nun ein weiteres Forschungsprojekt, das den Fokus auf die sommerliche Behaglichkeit - also Kühlung - legt. In den nächsten zwei Jahren möchten wir in den Simulationsräumen untersuchen, inwieweit es mittels Nachtlüftung möglich ist, Bauteile so weit abzukühlen, dass sie auch während darauffolgender Hitzeperioden angenehm kühl bleiben. Interessanterweise verhält es sich so, dass in Ziegelgebäuden beides gut möglich ist: Heizen und Kühlen.

Zuletzt: Was passiert am Ende der Lebensdauer mit dem Produkt Ziegel - Stichwort Recycling? Wenn es sich dabei um rein mineralische Produkte handelt, ist die Entsorgung bzw. die Verwertung sicherlich kein Problem. Schwieriger wird es mit den Verbundstoffen. Hier wird künftig die Herausforderung darin bestehen, Reststoffe als Wertstoffe zu sehen und diese auch dementsprechend zu behandeln. Es ist aber davon auszugehen, dass sich in diesem Bereich in den nächsten Jahren noch viel tun wird.