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Der Wohntraum in der Wüste

Die Wüste Kaliforniens zeichnet die perfekte Kulisse für neue Architektur. Ein österreichisches Ehepaar bespielt diesen Raum mit Stil und unaufdringlicher Eleganz. Ein Gespräch über Wüstenarchitektur mit europäischem Twist und amerikanische Wohnkultur.

Zwei Österreicher gehen in Kalifornien ihren eigenen Weg: Cornelia und Wolfgang Pichler.
Zwei Österreicher gehen in Kalifornien ihren eigenen Weg: Cornelia und Wolfgang Pichler.

Amerikaner haben einen recht pragmatischen Zugang zum Wohnen. Statt sich im heißen Hochsommer über den Sonnentag zu freuen, setzt man sich in den Keller, um fernzusehen. Wohnen wird nicht zelebriert, schon gar nicht in der heißen Wüste. Wolfgang und Cornelia Pichler lieben die USA, aber der amerikanische Wohnpragmatismus ist ihr Ding nicht. Die beiden, er Architekt und Designer aus der Steiermark, sie Autorin und Designerin aus Kärnten, haben vor wenigen Jahren ihre berufliche und private Welt in Graz hinter sich gelassen, um europäisches Wohnflair in die Wüste Kaliforniens zu bringen. In der Tat: Beim Durchforsten ihres Instagram-Kanals zeigt sich eine Galerie an "Schöner Wohnen"-Bildern. Wie Gemälde sehen die Wohnprojekte aus, die das Ehepaar in den Nationalpark Joshua Tree setzt. In der Landschaft, die zwischen Trostlosigkeit und Faszination changiert, leben sie ihre ureigene Vorstellung von Architektur und Design.

European Twist in der Wüste

Wie viele europäische Wetterflüchtlinge trieb es die beiden regen- und kältegeplagten Österreicher des warmen Klimas und immerblauen Himmels wegen in die Wüste Kaliforniens. Zum Zeitpunkt des Videocalls, in Kalifornien war es zehn Uhr, zeigte das Thermometer bereits 32 Grad, für den kommenden Tag waren 45 Grad vorhergesagt. "Aber das bei trockener Hitze, das ist auszuhalten", wischt Wolfgang Pichler das erstaunte "Jössas!" des Gegenübers aus Österreich beiseite. Er hat, wie schon viele Architekten vor ihm, seine Liebe für die Wüste als Grundlage seines kreativen Schaffens entdeckt, als Tabula-rasa-Situation sozusagen. Die Vorgaben kommen von der Natur, für die Architekten gilt es diese Herausforderungen architektonisch umzusetzen - das betrifft insbesondere den Sonnenschutz -, das Ehepaar Pichler versieht das Ganze mit einem "European Twist".

Ihre Kunden sind wohlhabende Natur- und Ruhesucher sowie Coronaflüchtlinge aus den rund zweieinhalb Autostunden entfernten Millionenstädten Los Angeles und San Diego. Nicht selten würden sie mit der Grundstückssuche beauftragt, erzählt Cornelia Pichler im Videogespräch, wobei es ab 5000 Quadratmetern erst einmal losgeht. Die Arbeit des Ehepaars beginnt dann mit der Planung der gesamten Anlage und endet oft bei der Entscheidung, welches Besteck am Ende in der Küchenlade sein soll. Schließlich werden die meisten ihrer Objekte nicht nur als Ferienhäuser, sondern auch zum Vermieten über Airbnb genutzt. In den Joshua-Tree-Nationalpark zieht es pro Jahr rund drei Millionen Besucher, viele davon gehören der "Generation Instagram" an, die schöne Fotos in die Welt senden wollen. Und Wüstenarchitektur ist in.

Offenheit nicht nur für Architektur

Es sind in der Wüste Kaliforniens vor allem europäische Architekten, die Hausmauern zur Wüste hin öffnen und mit Glas versehen, bei ihnen wandert das Innenleben hinaus in die ständige Sonne, Outdoor wird zelebriert, es entstehen "fließende Räume", so nennt man das in der Architektur. "Wir Österreicher sind ja gelernt im Frieren, deshalb lechzen wir so nach diesem Outdoorerlebnis. Unsere ersten Auftraggeber fragten noch erstaunt, warum wir im Wohnzimmer Glas bis zum Boden ziehen, wenn draußen ohnehin nur Sand ist", erinnert sich Wolfgang Pichler amüsiert. Wobei "nur Sand" wahrlich untertrieben ist, zeichnen doch die bizarren Steinformationen, stacheligen Joshua Trees und Kakteen genau jenen pittoresken Hintergrund, in den Wolfgang und Cornelia Pichler gekonnt ihre Inszenierungen einfügen.

Kalifornien, das sind die Redwoods im Norden, das ist der wilde Pazifik, die Wüste im Süden und die Berge im Landesinneren, ebendieser Spielraum in Verbindung mit dem permanenten Sonnenschein mache neue Räume auf, betont das Ehepaar. "Diese Weite, diese Offenheit spiegelt sich auch in den Menschen hier", schwärmt Wolfgang Pichler. Er fühlt sich in Kalifornien am Nabel des Zeitgeistes, "es passiert und entsteht so viel hier, überall poppt Neues auf, dieses ,Hier ist alles möglich' ist auch für uns als Unternehmer sehr inspirierend."

„Bei uns hast du eine Idee und es heißt: ,Eh super, aber …‘ Hier wird einfach gemacht und wenn es nicht funktioniert, funktioniert es eben nicht“
Cornelia Pichler, Autorin und Designerin


Preisskala ist nach oben offen

Gebaut wird in der Regel mit Holz, wobei die Baustandards nicht mit den europäischen vergleichbar seien, betont Wolfgang Pichler, außer man hat das nötige Kleingeld für hochwertigere Ausführungen. Generell sorgen Sonne und Hitze in Kalifornien für eine gute Konservierung der Bausubstanz, es gibt nur ein Problem: die Termiten. Was das Thema Nachhaltigkeit betrifft, so gibt es erste Anfänge, etwa verpflichtende Solarpaneele auf neu gebauten Dächern, was aber bei vielen Bürgern gar nicht gut ankommt, ist man in den USA doch gewöhnt, dass sich der Staat aus privaten Plänen heraushält.

Was die Immobilienpreise betrifft, so gibt es in Kalifornien nach oben hin kaum Grenzen. Gekauft werden "Lagen", trifft das auf dem Grundstück stehende Haus nicht den Geschmack des neuen Eigentümers, schiebt man es weg und baut neu, auch wenn die Immobilie Millionen gekostet hat. Wohnen in den USA bedeutet auch, Immobilien - ob neu oder gebraucht - mitsamt Interieur zu kaufen beziehungsweise zu verkaufen. Was nicht gefällt, wirft man weg oder gibt es zum Altwarenhändler, der für etwas Kreislaufwirtschaft sorgt und die Gegenstände weiterverkauft. Oder man stellt die Möbel auf die Straße, zur freien Entnahme.

Ein großer Trend in den USA ist "house flipping": Dabei werden alte Häuser aufgekauft, renoviert und für teures Geld weiterverkauft - ein Spielraum auch für TV-Stationen, die mit Sendungen wie dem bei uns bekannten "Fixer Upper" Lust auf modernes Wohnen machen. In den USA gebe es Hunderte solcher Produktionen, erzählt Cornelia Pichler. "House flipping" wird auch vom Staat unterstützt: Investiert man den Gewinn in ein neues Wohnobjekt, fällt keine Spekulationssteuer an.

Nachahmer sind auf dem Weg

Mit ihren Wohnkonzepten bietet das österreichische Ehepaar Pichler jedenfalls im Land der handwerklichen Spezialisten eine wenig gekannte Dienstleistung an, nämlich ein Bauprojekt vom Anfang bis zum Ende zu begleiten, alles aus einer Hand. "Unser eigenes Haus diente zu Beginn als Musterhaus, weil sich die wenigsten vorstellen konnten, dass ein Unternehmen ein komplettes Haus planen und bauen kann", erinnert sich Wolfgang Pichler schmunzelnd an die Anfänge. Das scheint sich herumgesprochen zu haben: Laufend kommen in Kalifornien neue Architekten an, die sich in der Weite des Landes austoben wollen.