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Der Einrichtungsfachhandel als "Krisengewinner"

Im Einrichtungsfachhandel brummt das Geschäft, aber es fehlt an Personal. Weil Reisen, Kultur und Gastro stillstehen, werden die Mittel in die eigenen vier Wände investiert .

Gerade jetzt denken viele Menschen darüber nach, sich neu einzurichten.
Gerade jetzt denken viele Menschen darüber nach, sich neu einzurichten.

Es ist zum Haareraufen: wochenlange Lockdowns im Handel und dann nach der Öffnung so viel Nachfrage, dass die Firmen mit den Aufträgen nicht mehr nachkommen. Das ist zumindest im Möbelhandel so. "Wir sind ein Krisengewinner, das muss man ganz offen sagen", betont Christian Wimmer, Geschäftsführer von Service&More mit den Einkaufs- und Marketinggemeinschaften "Garant Austria" und "Wohnunion". Viele Menschen, die pandemiebedingt derzeit verstärkt zu Hause sind, überlegen, wie man das persönliche Umfeld neu gestalten kann. "Dazu kommt, dass die Menschen viel Geld auf die Seite gelegt haben, weil man es ja beispielsweise für Reisen, Kultur oder Gastronomie nicht ausgeben kann", sagt Wimmer. Diese Mittel fließen verstärkt in Bau, Sanierung und Wohnraum.

Drei Mal so viele Kunden

Allerdings: Ab 2022 würden auch andere Branchen wieder profitieren, erwartet Wimmer: "Die Leute können dann wieder raus und aktiv sein, dann werden wir nicht mehr solche Zahlen verbuchen können." Doch derzeit ist es so, dass die Service&More-Handelspartner ihre Kundenanfragen nur mit großem Aufwand bewältigen können. Wimmer: "Normalerweise hat ein kleiner Partner sechs bis sieben Kunden in der Woche, die Hälfte davon erteilt auch einen Auftrag. Jetzt sind es drei Mal so viele Kunden und fast jeder bestellt."

Wichtige Faktoren: Nachhaltigkeit und Regionalität

Den Menschen gehe es dabei weniger um den Preis, sondern um Themen wie Nachhaltigkeit sowie regionale Herkunft und Fertigung. Im ersten Quartal 2021 haben die 292 Mitgliedsbetriebe, vorwiegend regionale Familienbetriebe, zwischen 30 uns 60 Prozent Umsatzzuwachs verzeichnet. "Und das mit dem bestehenden Personal", wie der Geschäftsführer anfügt. Das bringe vor allem die Monteure in Zeitnot. Auch im Jahr 2020 konnte das Rekordniveau des Vorjahres gehalten werden, obwohl 65 Arbeitstage in Verkauf und Montage durch die Lockdowns gefehlt haben. 2021 könnte noch stärker werden, er erwarte um 20 Prozent höhere Umsätze für das Gesamtjahr, sagt Wimmer.

Dauerhaftes Problem: Fachkräftemangel

Diese an sich ja sehr erfreuliche Entwicklung zeigt aber auch auf ein dauerhaftes Problem der Branche hin: den Fachkräftemangel. Es gebe Tage, in denen man dem Kundeninteresse nur unter erschwerten Bedingungen nachkommen könne. Auch an wechselwilliges Personal zu kommen sei derzeit gar nicht so einfach, betont der Experte: "Die Kurzarbeit betoniert Branchenwechsler ein." Soll heißen, dass Menschen, die gerne wechseln würden, durch die Kurzarbeitsregelungen nicht aus ihrem derzeitigen Arbeitsverhältnis herauskommen. Allerdings räumt Wimmer auch ein, dass der Fachkräftemangel durchaus hausgemacht sei: "Es war schon früher mühsam, Lehrlinge zu finden und auszubilden. Wir müssen das Image der Lehre viel mehr aufwerten. Nur wenige unserer Handelspartner haben eine Matura, ganz wenige haben studiert. Die meisten haben sich von der Lehre zur Unternehmensspitze entwickelt." Diese seien vor den Vorhang zu holen, um junge Menschen begeistern zu können. "Wir hoffen auf den Comebackplan der Regierung und darauf, dass darin auch der Bereich Ausbildung und Bildung entsprechend gefördert wird", wünscht sich Wimmer.

Diverse Lehrberufe in dieser Branche

Die Partnerbetriebe bieten eine Reihe von Lehrberufen an, vom Tapezierer bis zum Polsterer und von kaufmännischen Berufen bis zum Einrichtungsberater. "Tischler bekommen wir halt nur von Tischlereien, da sind wir abhängig", sagt Wimmer: "Was fehlt, wäre eine eigene Lehre zum Montagetischler." Es brauche im Wohn- und Einrichtungssektor generell ein neues Lehrbild.

Qualität und individuelle Lösungen

Die Mitgliedsbetriebe hätten jedenfalls auch deshalb eine gute Geschäftslage, weil man Qualität und individuelle Lösungen biete und bei den Lieferanten auf europäische Hersteller setze. Das Problem der "Großfläche", also der großen Einrichtungshäuser: "Die machen viel Volumen und da kann sich dann auch die Blockade im Suezkanal auswirken." Zudem würden diese großen Häuser auch vom Umsatz her stark vom Frequenzgeschäft abhängen, also Accessoires, Kleinartikel etc. Und da wirken sich die Schließtage besonders aus. Der Möbelfachhandel sei davon kaum betroffen.

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