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Ausstellung zum Thema Bodenversiegelung in Elixhausen

Die Ausstellung "Boden für alle" nimmt den verschwenderischen Umgang mit unserer kostbarsten Ressource ins Visier. Bis 6. 12. 2021 kann sie noch in der Höheren Bundeslehranstalt für Landwirtschaft besichtigt werden.

Verbaute Erde – Parkflächen statt Ackerland.
Verbaute Erde – Parkflächen statt Ackerland.

Die vom Architekturzentrum Wien kuratierte Ausstellung "Boden für alle" tourt seit Mai 2021 mit zwei mobilen Varianten durch ganz Österreich. Ein Gespräch mit den Kuratorinnen Karoline Mayer und Katharina Ritter.

Was macht die Bodenversiegelung zum konkreten Problem, worin bestehen die Konsequenzen für uns alle? Karoline Mayer und Katharina Ritter: Jede zusätzliche Versiegelung des Bodens verstärkt die Folgen des Klimawandels. Das Wasser kann schlechter verdunsten, die Abkühlung funktioniert nicht mehr, Starkregenereignisse fallen sofort katastrophal aus, weil das Wasser nicht versickern kann. Dazu kommen eine Verringerung der Biodiversität und ein weiterer Verlust der Ernährungssicherheit, weil wir immer größere Teile unserer Ackerflächen in Bauland umwidmen.

Haben Sie den Eindruck, dass auch die Bevölkerung für diese Zusammenhänge zunehmend stärker sensibilisiert ist? Die Botschaft, dass wir zu viel Boden verbrauchen, kommt sicher immer deutlicher bei den Bürgern an, auch medial ist die Problematik in den letzten Jahren sehr präsent. Das Thema ist auch deswegen so brisant, weil direkt oder indirekt sehr viele unterschiedliche Lebensbereiche damit in Verbindung stehen. Katastrophale Schäden als Folgen des Starkregens hängen ebenso mit dem Bodenverbrauch zusammen wie steigende Mietpreise, die Altersvorsorge oder Bereiche wie Ernährung. Das bedeutet, man kommt um eine Auseinandersetzung fast nicht herum.

Wofür werden die meisten Flächen geopfert? Es sind hauptsächlich die Sparten Verkehr, Gewerbe, Industrie und Wohnen, die hier enorm ins Gewicht fallen. Was erschwerend dazukommt, ist der Leerstand, der produziert wird, wie zum Beispiel in Zweitwohnsitzgebieten.

Zum Bereich Wohnen: Steht auch das klassische Einfamilienhausmodell hier in der Kritik? Das muss man differenziert betrachten. Was als Tendenz grundsätzlich beobachtbar ist, ist ein hoher Gebäudeleerstand in den Stadtzentren. Anstatt in den Kernbereichen zu renovieren oder zu sanieren, wird aber immer wieder auf der grünen Wiese am Stadtrand gebaut - oft sind das eben auch Einfamilienhaussiedlungen. Hier wäre es wichtig, das Bewusstsein in Richtung einer Revitalisierung des Bestands zu lenken und auch in die Richtung alternativer Wohnformen. Die Entscheidung muss ja nicht zwingend zwischen Einfamilienhaus und Wohnblock fallen. Es gibt unzählige Varianten, wie man boden- und platzsparend leben und wohnen kann, ohne auf den Komfort eines Einfamilienhauses zu verzichten.

Zum Beispiel? Zum Beispiel Reihenhäuser, Doppelhäuser oder Atriumhäuser. Es gibt auch eine Reihe nachahmenswerter Beispiele aus den 60er- und 70er-Jahren und aus dem skandinavischen Raum, die gestalterische Varianten zwischen ländlichen und städtischen Wohnformen darstellen.

Was den Wohnbedarf angeht - haben Sie diesen in Ihrer Ausstellung mit einer konkreten Zahl veranschaulicht? Dabei handelt es sich um die Zahl 4,16. Wenn man alle Einwohner Österreichs auf die bereits existierenden Ein- und Zweifamilienhäuser aufteilt, kommt man nämlich auf durchschnittlich 4,16 Bewohner pro Wohneinheit. Das deutet darauf hin, dass es in diesem Bereich eine hohe Unterbelegung und eine beachtliche Leerstandsrate gibt. Die Zahl zeigt aber auch, dass eigentlich genügend Wohnraum vorhanden wäre, der nicht oder nicht ausreichend genutzt wird.

Welchen Weg müsste eine mutige Bodenpolitik einschlagen? In der Ausstellung haben wir einige Instrumente der Raumordnung thematisiert, die es in Österreich zwar nicht gibt, die wir aber durchaus für diskussionswürdig erachten. Zum Beispiel ein Pilotprojekt in Deutschland, bei dem ein Handel mit Flächenzertifikaten den Flächenverbrauch quantitativ steuern soll. Die Anzahl der verfügbaren Zertifikate entspricht einem festgelegten Flächensparziel, innerhalb bestehender Ortsteile sind dagegen keine Zertifikate erforderlich.

Was ist mit den bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten der Raumordnung? Einige Instrumente der Raumplanung werden derzeit einfach nicht restriktiv genug angewendet. Viele Entwicklungen und Altlasten haben ihren Ursprung aber auch in der Vergangenheit, wie zum Beispiel die Vorratswidmung von Bauland in den 1980er-Jahren.