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"Wir wollen vorn mit dabei sein"

Miele stellt hohe Ansprüche, entsprechend aufwendig ist die Produktentwicklung der Küchengeräte. Doch welche Eigenschaften sind in der Küche wichtig?

Im SN-Exklusivinterview: Die beiden Miele-Geschäftsführer und -Miteigentümer Reinhard Zinkann und Markus Miele sowie Chefdesigner Andreas Enslin (v.l.).
Im SN-Exklusivinterview: Die beiden Miele-Geschäftsführer und -Miteigentümer Reinhard Zinkann und Markus Miele sowie Chefdesigner Andreas Enslin (v.l.).

Vor drei Tagen stellte Miele in Salzburg die neue Einbaugerätegeneration 7000 vor. Im SN-Exklusivinterview erklären die beiden Miele-Geschäftsführer und Miteigentümer Markus Miele und Reinhard Zinkann sowie Chefdesigner Andreas Enslin, worauf es in der Küche künftig ankommt, wie aufwendig ein Entwicklungsprozess ist, was das Smartphone damit zu tun hat und warum man zur Vorreiterrolle "verdammt" ist.

Was ist wichtiger, Form oder Funktion? Markus Miele: Das gehört immer zusammen, gutes Design kann ohne gute Funktion nicht wirken und umgekehrt. Das sieht man bei der neuen Generation 7000. Sie schaut gut aus, ist auch gut zu bedienen und passt in viele Wohnumgebungen rein. Und sie ermöglicht es dem Kunden, Kombinationen so zusammenzustellen, wie er das möchte.
Andreas Enslin: Der Spielraum ist natürlich begrenzt, nicht nur bei Material und Farbe, sondern auch durch die vorgegebenen Maße, etwa beim Backofen. Sichtbar ist am Ende nur die Front. Aber viel wichtiger ist die sogenannte User Experience, also wie kann ich die Technik nutzen? Das ist es, wo wir als Designer viel leisten müssen. Wir übersetzen das, was die Technik tut, in etwas, was der Kunde versteht. Es ist unser Job, das erlebbar und sichtbar zu machen und - bei Miele verpflichtend - Vertrauen und Haltbarkeit zu vermitteln.

Die Rolle des Designers ist also heute ganz anders? Enslin: Es gibt da ein großes Missverständnis vor allem in Deutschland, wo man Design nur mit Form und Farbe verbindet. Jetzt steht aber mehr die ursprüngliche Bedeutung im Vordergrund: der Entwurf. Durch die Digitalisierung verändert sich extrem viel. Es geht uns also nicht nur um die Bedienung, sondern um das Erlebnis, oder auch darum, das Gerät ohne Anleitung benutzen zu können.
Miele: Am Bild des Designers hat sich viel geändert. Früher war es wichtig, dass er gut zeichnen kann, heute geht es um "User Interface Designer".
Enslin: Die Technik gibt uns einen Pool an Möglichkeiten. Wir müssen aber verstehen, wie der Kunde "funktioniert", wir müssen ihm jene Orientierung geben, wie man intuitiv mit dieser Komplexität umgeht.

Welche Rolle spielt dabei die Entwicklung des Smartphones? Enslin: Wir haben das gerade bei der Entwicklung der Vorgängergeneration 6000 gesehen. So eine Entwicklung braucht fünf bis sechs Jahre. Damals kamen die Smartphones heraus und wir mussten die Erwartungen in die Bedienung erfüllen, die erst einige Jahre später alltäglich wurde. Die Touch-Displays mussten so sein, dass sich der heutige Kunde sofort damit auskennt.
Miele: Die Technik könnte ja noch mehr. Doch wir müssen im Vorfeld entscheiden: Bringt das dem Kunden etwas? Was lässt man weg? Wir holen uns Tester in unsere Labors und lassen die Leute durch die Menüs navigieren. Da stellt sich schnell heraus, ob es zu kompliziert ist oder ob wir es so einfach wie bei einem Smartphone gemacht haben. Gerade das Smartphone hat alle Generationen verändert, die Bedienung ist bei den Menschen allgemein akzeptiert.

Wie entwickelt man eine neue Gerätegeneration? Miele: Die erste Frage lautet: Was brauchen die Leute? Dann: Wie sieht ihre Wohnung aus? Wir liefern in 50 Länder weltweit, da gibt es ganz verschiedene Anforderungen. Welche Ansprüche haben die Kunden? Das "Übliche" muss ohnehin dabei sein. Wir versuchen mit neuen Techniken neue Antworten zu geben. Das können Automatikprogramme sein oder das neue "Food View". Dabei überwacht eine Kamera im Backofen den Garprozess und überträgt die Bilder auf eine spezielle App. Dazu kommt die intuitive Bedienbarkeit bis hin zu "Motion React", mit der der Backofen erkennt, wenn sich der Benutzer nähert, und darauf reagiert.
Enslin: Mit der Entwicklung der Generation 7000 haben wir vor fünf bis sechs Jahren begonnen. Wir mussten damals schon Trends aufnehmen, was der Mensch in den nächsten fünf bis zehn Jahren in der Küche braucht. Dazu haben wir "Personas"-Gruppen entwickelt, das sind Modelle des künftigen Kunden. So etwas kann natürlich auch einmal danebengehen.
Reinhard Zinkann: Wir entscheiden ja nicht, was der Kunde aktuell benötigt, sondern versuchen eine Antwort auf die Frage, was er in fünf Jahren brauchen wird. Und da wird Zusatznutzen gebraucht, den es eben Jahre vorher gar nicht gab. Das Miele-Motto "Immer besser" stand schon auf der ersten Maschine vor 120 Jahren, dem sind wir heute noch verpflichtet. Wenn wir also jetzt eine neue Gerätegeneration entwickeln, geht es nicht nur um die Qualität, sondern auch um den Technologie-Vorsprung. Die Idee lautet: Wir müssen gar nicht immer die Ersten sein, aber wenn wir etwas machen, muss es besser sein als alles, was es gibt. Da wird es jetzt durch die digitale Technik etwas einfacher, weil man viel rascher Neues einfließen lassen kann. Aber es bleibt trotzdem eine Herausforderung. Neue Gedanken fließen bis zum letzten Tag vor dem Serienstart in die Produktentwicklung ein.

Doch wie gehen Sie da mit den kulturellen Unterschieden der Kunden um? Miele: Manche Themen werden in Asien ganz anders betrachtet als in Europa. Doch es gibt sogar regionale Unterschiede zwischen der Schweiz und Österreich. So müssen wir Backöfen in der Schweiz mit einem speziell gelochten Blech ausstatten, damit dort die Blechkuchenspezialität "Wähe" zubereitet werden kann. Auch das Deutsch in der Bedienerführung ist in der Schweiz, in Österreich und Deutschland verschieden, etwa bei Karfiol oder Erdäpfeln.
Zinkann: In Asien beispielsweise kocht man viel mit Gas. Das heißt, wir brauchen einen viel stärkeren Wok-Brenner als hierzulande, wo mit dem Wok eher "gekocht" wird. In Asien verwendet man hingegen viel mehr Hitze und Öl und gart viel kürzer. Und noch ein Punkt ist wichtig: Wir reden viel auch mit Vertretern ganz anderer Branchen, etwa Topf- oder Glasherstellern, Lebensmittelproduzenten oder mit der Küchenmöbelindustrie.

Ist Miele also aufgrund seiner eigenen Ansprüche zum Vorreiter verdammt? Miele: Es ist spannend, etwa im Bereich Software gibt es viele Möglichkeiten. Man muss sich auch überlegen, welchen Technikast ich abschneide. Dafür erwarten die Kunden sicher Gesten- oder Sprachsteuerung. Ich würde daher nicht sagen, dass wir zum Vorreiter "verdammt" sind, sondern es macht Spaß, vorn zu laufen.
Wir hatten schon bei der Generation 6000 das erste Multitouch-Display. Das war eine große Investition.
Enslin: Damals war die Zeit aber noch gar nicht reif. Wir schauen uns einfach gute neue Dinge an. Es geht nicht darum, Vorhandenes zu bewahren und zu konservieren, sondern neu aufzuladen.
Zinkann: Kein Hersteller kann immer Technologieführer sein. Aber unser Anspruch ist es, den Verbrauchern einen Mehrwert zu geben und nicht irgendein Gimmick. Unsere Lösung muss immer besser sein als jede andere.

Aber sollte man nicht letztlich in der Lage sein, zukünftige Märkte zu erkennen und selbst zu schaffen, so wie das Steve Jobs konnte? Zinkann: Wir haben im Vorjahr
mit dem Dialoggarer ein Gerät vorgestellt, das es noch gar nicht gab. Ausschlaggebend war nicht die Frage, ob das der Markt in großer Stückzahl braucht. Wir wollten diese Technologie haben, wir wollten vorn dabei sein und entwickeln sie permanent weiter. Einen Return on Investment werden wir mit dem Dialoggarer in überschaubarer Zeit nicht erreichen. Aber wir sind überzeugt, dass das der richtige Weg ist.