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Immobilienrecht: Schweigen als Zustimmung

Grundlegende Gesetzesänderungen bei Wohnungseigentum stehen bevor. Blockaden von Vorhaben durch einzelne Eigentümer sollen der Vergangenheit angehören.

Soll nachträglich beispielsweise eine Photovoltaikanlage installiert werden, braucht es dafür nicht mehr einen einstimmigen Beschluss aller Wohnungseigentümer.
Soll nachträglich beispielsweise eine Photovoltaikanlage installiert werden, braucht es dafür nicht mehr einen einstimmigen Beschluss aller Wohnungseigentümer.

Noch im Herbst soll die parlamentarische Behandlung der Novelle zum Wohnungseigentumsgesetz (WEG) erfolgen. Es sieht grundlegende Änderungen für die rund 650.000 Wohneinheiten in Österreich vor. Das umfassende Begutachtungsverfahren inklusive Expertengesprächen im Justizministerium ist bereits abgeschlossen.

Einstimmigkeitsprinzip fällt

Wesentliche Neuerungen sind bei der Beschlussfassung durch die Wohnungseigentümer vorgesehen. Bisher galt das Einstimmigkeitsprinzip, das dazu führte "dass immer einer dagegen war", wie es ein Praxiskenner ausdrückt. Wesentliche Vorhaben, etwa im Bereich der thermischen Sanierung, wurden damit unmöglich. Ein einziger Eigentümer konnte so für Umwelt, Klima und Betriebskosten günstige Vorhaben blockieren, aus welchen Gründen auch immer. Von dem Prinzip abzugehen hat sich der Gesetzgeber bisher nicht getraut. Schließlich können einer Mindestrentnerin Zusatzkosten für eine große thermische Sanierung nicht einfach vorgeschrieben werden.

2 wichtige Mechanismen werden modifiziert

Die Mehrheitsverhältnisse bei solchen Entscheidungen werden jetzt trotzdem angesichts des Klimawandels geändert. Zwei wichtige Mechanismen der Willensbildung im Wohnungseigentum werden von der Novelle grundlegend modifiziert. Das Einstimmigkeitsprinzip etwa bei Änderungen, die ein einzelner Wohnungseigentümer durchsetzen möchte. Dies soll bei bestimmten Maßnahmen durch eine sogenannte Zustimmungsfiktion ersetzt werden. Und die Berechnung der Mehrheit nach Anteilen soll durch ein Alternativmodell ergänzt werden, das auch einer qualifizierten Minderheit von Wohnungseigentümern beispielsweise die Umsetzung von Renovierungsmaßnahmen ermöglichen soll. Ergänzend dazu sind neue Regeln für die Weitergabe der Kontaktadressen der Wohnungseigentümer geplant.

Wann gilt die Zustimmung als erteilt?

"Für bestimmte Maßnahmen, die an sich nur einstimmig oder auf dem Ersatzweg durch Beschluss des Außerstreitrichters gegenüber den anderen Wohnungseigentümern durchgesetzt werden können, sollen ab 2022 neue Regeln gelten", erklärt Udo Weinberger, Verwaltersprecher des ÖVI, des österreichischen Verbands der Immobilienwirtschaft. "Die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer soll als erteilt gelten, wenn diese von der geplanten Änderung durch Übersendung verständigt werden und der Änderung nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Verständigung widersprechen."

Nur bei bestimmten Entscheidungen möglich

Diese schweigende Zustimmung soll allerdings nur bei bestimmten Entscheidungen möglich sein, etwa der behindertengerechten Ausgestaltung eines Wohnungseigentumsobjekts oder von allgemeinen Teilen der Liegenschaft, der Anbringung einer Vorrichtung zum Langsamladen eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs, der Anbringung einer Photovoltaikanlage an einem als Reihenhaus oder Einzelgebäude errichteten Wohnungseigentumsobjekt, der Anbringung von sich in das Erscheinungsbild des Hauses harmonisch einfügenden Vorrichtungen zur Beschattung eines Objekts sowie dem Einbau von einbruchsicheren Türen.

„Mit dem neuen WEG soll eine Person nicht mehr alles blockieren können.“ Michaela Steinacker, VP-Abgeordnete zum Nationalrat

"Ein viel tiefer greifender Punkt der vorliegenden Novelle ist aber die Erleichterung der Mehrheitsermittlung", erläutert Weinberger. "Bisher war für einen Beschluss der Wohnungseigentümer-Gemeinschaft eine einfache Mehrheit von mehr als 50 Prozent aller Miteigentumsanteile erforderlich." Nun gibt es eine zweite Variante: Für einen wirksamen Beschluss ist auch eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen ausreichend, sofern diese Mehrheit zumindest einem Drittel aller Miteigentumsanteile entspricht. Wohnungseigentümer, die sich nicht an der Abstimmung beteiligen, haben in Zukunft weniger bremsende Wirkung als bisher. Eine qualifizierte Minderheit von einem Drittel aller Anteile kann also Beschlüsse erwirken.

Unklarheit bei Pattsituationen

"Der ÖVI unterstützt grundsätzlich den Vorschlag einer relativen Mehrheitsbildung, weil dadurch die Mehrheitsfindung erleichtert wird. Wenn sich überwiegend Befürworter für eine bestimmte Sache am Beschluss beteiligen, reicht auch bereits eine Drittelmehrheit für einen Mehrheitsbeschluss", ergänzt ÖVI-Geschäftsführer Anton Holzapfel. "Doch was passiert, wenn kurz darauf eine neuerliche Beschlussfassung, initiiert von einer anderen Gruppierung von Wohnungseigentümern, etwas anderes ergibt? Unklar bleibt, wie mit solchen Pattsituationen umzugehen ist."

Seitens der Regierungsparteien ist man mit dem Vorgehen jedenfalls zufrieden. "Das WEG ist jetzt in Ausarbeitung und soll das Problem lösen, dass eine Person alles blockieren kann", sagt ÖVP-Abgeordnete Michaela Steinacker, die auch Vorstandsmitglied im Österreichischen Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen - GBV ist, am Rande der "St. Wolfganger Tage" der ARGE Eigenheim: "Ziel ist es, dass etwa beim Thema Sanierung oder Ladestationen schon eine Zweidrittelmehrheit reicht."

Fragen zum Datenschutz

Beim ÖVI sieht man jedenfalls viel Stoff für Diskussionen im Nachhinein. Weinberger: "Nicht von ungefähr ist im Gesetz eine verpflichtende Information über die neuen Beschlussregeln vorgesehen. Die schweigende Mehrheit ist jedenfalls gut beraten, sich zu engagieren. Ein Mindestquorum für die Beteiligung von 50 Prozent wäre jedoch hilfreich, um zumindest Pattsituationen zu vermeiden."

Und auch ein Datenschutzproblem ortet man beim ÖVI. Um Beschlussfassungen in der Praxis zu erleichtern, soll der Verwalter verpflichtet werden, die Kontaktdaten der übrigen Wohnungseigentümer zu diesem Zweck zur Verfügung zu stellen, nämlich Namen und Zustellanschriften der Wohnungseigentümer. "Noch ist im Gesetzesentwurf vorgesehen, dass der Verwalter für die Weitergabe von E-Mail-Adressen die Zustimmung einholen muss", sagt Weinberger: Der Verwalter sollte davon ausgehen dürfen, dass die Weitergabe im Rahmen der Auskunftspflicht ohne eine gesonderte Zustimmung erfolgen kann.