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Homeoffice! Aber wo?

Theoretisch toll, in der Praxis meist schwierig. Die meisten Menschen haben zu Hause gar nicht ausreichend Raum für einen Arbeitsplatz.

Homeoffice ist zurzeit in vielen Branchen eine notwendige Maßnahme. Doch wo soll man zu Hause arbeiten, wenn nur wenig Platz zur Verfügung steht?
Homeoffice ist zurzeit in vielen Branchen eine notwendige Maßnahme. Doch wo soll man zu Hause arbeiten, wenn nur wenig Platz zur Verfügung steht?

Homeoffice ist in aller Munde. Selbst Firmen, die dieser Idee bisher ablehnend gegenüberstanden, entdecken, dass man tatsächlich nicht für jede Tätigkeit ins Büro zu kommen braucht. Das erzwungene Homeoffice hat aber nicht nur technische Probleme mit sich gebracht, vor allem stößt es oft an räumliche Grenzen. Denn wer hat schon zu Hause ausreichend Platz für ungestörtes Arbeiten?

Wer gerade ein neues Heim plane, solle auch gar nicht die Raumaufteilung nach solchen Kriterien ausrichten, empfiehlt die Salzburger Architektin Ursula Spannberger: "Einen Raum nur für eine Tätigkeit zu fixieren schränkt später die Möglichkeiten stark ein, besser ist es, flexibel zu sein und improvisieren zu können." Sie erlebe dies derzeit auch in einem anderen Zusammenhang. "Wenn Menschen von der Wohnung in ein Einfamilienhaus ziehen, besteht immer der Wunsch nach einem Esszimmer", erzählt Spannberger: "Doch wie oft nutzt man das wirklich? Hat man so häufig Gäste?" Nach wie vor gelte das Esszimmer als Statussymbol, genutzt werde es dann relativ wenig. "Ähnlich ist es auch bei einem Arbeitszimmer, das als exklusiver Raum für ältere Familienmitglieder geplant wird. Aber irgendwann stehen dann der Hometrainer drin und das Bügeleisen."

Rücksichtnahme und Abschottung im Homeoffice

Wichtig sei es vielmehr, Räume zum Zurückziehen zu haben, aber eben als "temporäres (Arbeits-)Zimmer für alle und nicht nur für eine Person". Dort sollte dann auch eine akustische Distanz zum Rest möglich sein. Junge würden sich in solchen Situationen gern mit Kopfhörern helfen, aber das sei auch nicht jedermanns Sache. Wichtig sei bei solchen Orten, dass es eine Abstimmung und Absprache unter allen Mitbewohnern gebe und dass mit allen auch die Raumnutzung diskutiert werde.

Wenn man so einen Raum hat, dann ist meist alles gut, doch die meisten haben das nicht. "Ich empfehle, den Campingtisch herauszuholen und ihn irgendwo, wo man sich zurückziehen kann, aufzustellen." Dafür könne man etwa einen Kasten um 90 Grad drehen, um sich dahinter etwas abzuschotten. Man könnte auch einen Raumteiler installieren oder eine Decke aufspannen. Der Behelfstisch könne auch ruhig einmal im Stiegenhaus stehen. In Zeiten wie jetzt würden andere Hausbewohner dafür vermutlich Verständnis aufbringen. "Gerade Kinder sitzen zum Beispiel auch gerne auf dem Boden unter dem Esstisch", sagt Spannberger, und: "Wenn jetzt das Wetter schöner wird, eignen sich auch Garten, Terrasse oder der Balkon als ,Arbeitsplatz'." Auch Telefonate könnten im Freien geführt werden, etwa beim Spazierengehen.

Man solle bloß keine Scheu vor "Blödsinn" haben, sondern einfach, in fast kindlicher Manier, alles Mögliche ausprobieren. "Auch ein Familienrat empfiehlt sich, wo gemeinsam darüber gesprochen wird, was gut läuft und was unerträglich ist." Dort kann dann auch ein gemeinsamer Stundenplan beschlossen werden, durch den die maximale gegenseitige Rücksichtnahme möglich ist.

Den Esstisch als Arbeitstisch zu verwenden, davon rät Spannberger ab: "Es sollte nicht der Vater ganz selbstverständlich den Tisch vereinnahmen, denn das verdrängt andere Nutzungen. Ein Esstisch wird von allen benutzt, dort sollten alle gemeinsam aktiv sein können."

Manche ziehen sich für das Homeoffice ins Schlafzimmer zurück. "Das kann aber auch gefährlich sein, denn das Schlafzimmer ist ein Entspannungsort. Also sollte man auch dort den Arbeitsbereich separieren, mit einem Vorhang oder einer Schiebewand." Es sollte auch durchaus das Jugendzimmer in die Betrachtungen einfließen, etwa in Zeiten, in denen es unbenutzt sei.

Kreative Möbellösungen für den Arbeitsplatz

An passenden Möbeln fehlt es nach Ansicht der Expertin nicht. Früher habe man viel Zeug an seinem Arbeitsplatz gebraucht, "heute gibt es den Laptop, den kann man überallhin mitnehmen und einfach zuklappen und verstauen".

Diese Meinung teilt Michael Hilgers, Architekt aus Berlin, hingegen nicht. Er beschäftigt sich schon seit Jahren mit dem Thema "Wohnen auf kleinem Raum" und hat dabei entdeckt, dass es durchaus ungenutzte Stellen auch in kleinen Wohnungen gibt, die man mit entsprechend pfiffigen Möbellösungen aktivieren kann. Ein Raum, der sich gerade für Homeoffice gut eignet, ist für ihn das Vorzimmer. Entsprechende Möbel vorausgesetzt, kann man etwa im Gang durchaus seine Arbeitsplatz-Zelte aufschlagen und andererseits mit wenigen Handgriffen wieder Raum zum Gehen schaffen. Er sieht ganz generell derzeit eine "Dekonstruktion des Wohnens". Im 21. Jahrhundert passieren innerhalb des Wohnraums Dinge wie Schlafen, Reinigen, Zurückziehen oder Arbeiten, außerhalb hingegen Erleben, Unterhalten, Spielen, Treffen, Trainieren oder ebenfalls Arbeiten.

Typisch für "kleines Wohnen", wie es sich aus der gegenwärtigen Situation mit Homeoffice und Schule zu Hause zwangsläufig ergibt, ist etwa "chronologisch wohnen". Konkretes Beispiel: Der Frühstückstisch lässt sich nach der Mahlzeit mit wenigen Handgriffen in einen Schreibtisch umbauen, auch aus einer Regalwand kann während der "Dienstzeit" eine Arbeitsfläche werden. Hilgers: "Ein Schreibtisch muss heute nicht mehr 70 Zentimeter tief sein, kann aber stattdessen zwei Ebenen haben." Aus einem flachen Wandmöbel mit 20 Zentimetern Tiefe entsteht durch Klappmöglichkeiten ein Schreibtisch, der wieder verschwindet.

Und er weist auch auf die Möglichkeit hin, den "Luftraum" zu benutzen, Raumecken verwendbar zu machen oder mobile Möbel flexibel einzusetzen, etwa einen Hocker als Beistelltisch zu verwenden.