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Holzbautechnologie für die Dächer von Graz

TU entwickelt Faltwerklösung für historische Bauten. Wohnraum für 36.000 Menschen könnte in den alten Dachstühlen geschaffen werden.

Die historische Dachlandschaft von Graz könnte als Wohnraum genutzt werden.
Die historische Dachlandschaft von Graz könnte als Wohnraum genutzt werden.

Geschätzte 340.000 der rund 400.000 steirischen Dachböden werden nicht als Wohnraum genutzt. Allein in den bisher ungenutzten Dachböden der Stadt Graz könnte jedoch schon Wohnraum für rund 36.000 Menschen geschaffen werden. Bei vielen ist aber auch ein Instandsetzungsbedarf gegeben. Experten der TU Graz haben nun einen holzbasierten Lösungsansatz vorgestellt, der den Bestand schützt und zugleich eine stützenfreie und flexible Gestaltung des Dachraums ermöglicht.

Nutzung von Dachräumen zur Schaffung von Wohnraum

Zuwanderung aus den Regionen in die Stadt und damit einhergehend steigende Mieten für Wohnungen bei nicht gleich steigendem Einkommen und zugleich von schleichendem Verfall bedrohte Altbaubestände - dies alles lässt bei der Schaffung von Wohnraum umdenken. "Es besteht dringender Handlungsbedarf, um die historische Dachlandschaft vor dem Verfall zu schützen. Nutzen wir die notwendigen Sanierungen, um zusätzlichen Wohnraum sowie mehr Wohnqualität zu schaffen und Bodenverbrauch zu verhindern", fasste es der steirische Wohnbaulandesrat Hans Seitinger (ÖVP) in einem Pressegespräch an der TU Graz zusammen: "Damit kann der erwartete zusätzliche Wohnbedarf der Landeshauptstadt durch Bevölkerungswachstum für zwölf Jahre gestillt werden."

Prüfung des Erweiterungspotenzials und der rechtliche Situation

Auf Basis eines an der TU Graz erstellten Aufstockungskatasters wurden die entsprechenden Blockstrukturen der Stadt in einem ersten Schritt hinsichtlich ihres Potenzials für eine Erweiterung untersucht. Dabei wurde auch die rechtliche Situation geprüft. Wenn die Kontur unverändert bleibt und die Gebäudehülle entsprechend ausgestaltet wird, stehe der Nachverdichtung bei nicht erhaltenswerten Dachstühlen nichts entgegen. Damit wird auch das geschützte Erscheinungsbild der Grazer Altstadt erhalten.

"Wenn wir Dachböden ausbauen wollen, brauchen wir einen leichten, intelligent nutzbaren Baustoff, der in Systembauweise einsetzbar ist, damit sich ganze Baukörper in die gewonnene Fläche einschieben lassen", führte der Landesrat weiter aus. Hier sei die sogenannte Faltwerklösung ein Konzept, das es ermöglicht, in schneller Zeit eine stützenfreie und enorm flexible Gestaltung des Dachraums in Form einer zweigeschoßigen Nutzungsmöglichkeit zu erreichen. Zu diesem Schluss ist man an der TU Graz gekommen, wo man verschiedene Dachausbau- und Aufstockungsvarianten untersucht hat.

„Vorgefertigte Holzelemente bilden die tragende Dachhaut.“
Gerhard Schickhofer, Technische Universität Graz

Das Haupttragsystem des vorgeschlagenen Konzepts besteht aus einem dreieckförmigen zentral geführten Balken aus Brettsperrholzplatten, der in Firstrichtung verläuft. Vorgefertigte Holzelemente - ebenso aus Brettsperrholz (CLT) - werden an diesen "Faltwerkträgern" angelehnt und bilden die tragende Dachhaut, wie Gerhard Schickhofer, Leiter des Instituts für Holzbau und Holztechnologie der TU Graz, erklärte.

Die Konstruktion genüge den Anforderungen an Gebäude der Altstadtschutzzonen ebenso wie auch den statistisch-konstruktiven und bauphysikalischen Ansprüchen, wie Schickhofer festhielt. Nun ist die Etablierung der "Faltwerklösung" bei einem historischen Gebäude als Pilotprojekt geplant, das von der TU wissenschaftlich begleitet wird.

82 % der Dachwerke sind sanierungsbedürftig

Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter der TU Graz haben im Zuge ihrer Forschungsarbeiten 45 historische Dachkonstruktionen der Landeshauptstadt unter die Lupe genommen und die Ergebnisse sind erschreckend: "Bei 82 Prozent der untersuchten Dachwerke ist innerhalb der nächsten fünf Jahre ein Instandsetzungsbedarf gegeben. Es wäre daher wünschenswert, den Bestand aller historischen Dachwerke lückenlos zu erfassen, um ein Gesamtbild vom Zustand der Altstadt-Dachlandschaft zu erhalten", betonte Schickhofer. "Neben den Besitzerinnen und Besitzern der schutzwürdigen Gebäude hat auch die Stadtpolitik eine besondere Verantwortung, um drohende Abrisse zu verhindern."

In der Steiermark werden jährlich rund 7000 Wohnungen und Eigenheime gefördert saniert und damit bestehende Wohnhäuser erhalten und modernisiert und neuer Wohnraum geschaffen. Die Maßnahmen werden mit einer Reihe von Förderungen von der "kleinen" über die "umfassende Sanierung" bis zur Revitalisierungsförderung für bauhistorisch wertvolle Gebäude unterstützt.