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Für sich sein, aber dabei nicht einsam sein

Im Quartier Riedenburg leben verschiedene Generationen. Mit dem Konzept der Wohnkooperation hilft die Diakonie den Bewohnern bei Problemen und fördert die Nachbarschaft.

Jung und Alt können im Quartier Riedenburg bei gemeinsamen Aktivitäten voneinander profitieren.
Jung und Alt können im Quartier Riedenburg bei gemeinsamen Aktivitäten voneinander profitieren.

"Ich habe verlernt, auf andere zuzugehen", sagt Elfriede Herzog. Die 62-Jährige wohnte bis Mai 2020 allein in einer kleinen Wohnung, dann übersiedelte sie in das betreute Wohnen im Quartier Riedenburg. Dort könnte sie bei der "Happy Hour", veranstaltet von der Wohnkoordination der Diakonie, in lockerer Atmosphäre erste Kontakte zu den übrigen Bewohnern des Quartiers knüpfen. Corona hat ihre Bemühungen aber erst einmal ausgebremst. Dennoch ist Herzog froh, dort wohnen zu können.

Bild: SN/schnabler
Anders kann ich es mir gar nicht mehr vorstellen. Die Sicherheit, dass wer da ist für mich, ist mir sehr wichtig.
Elfriede Herzog, Bewohnerin

Mit "wer" meint sie Antje Kindler-Koch und ihre Kollegin Birgit Birnbacher von der Wohnkoordination. Mit dieser Anlaufstelle hat die Diakonie etwas geschaffen, wovon alle Quartiersbewohner profitieren können. Das Konzept wurde gemeinsam mit dem Bauträger gswb im Quartier Riedenburg umgesetzt.

Mit den Angeboten der Anlaufstelle - sie richten sich an Jung und Alt - sollen nachbarschaftliche Strukturen wachsen, damit sich die Bewohner langfristig gegenseitig unterstützen können. "Gleichzeitig sollen Lebenswelten gestaltet werden, die es Menschen ermöglichen, in schwierigen Lebenslagen besser zurechtzukommen", erklärt Barbara Wimmer-Stöllinger, die Leiterin der Quartiersarbeit. Kindler-Koch und Birnbacher helfen zum Beispiel bei privaten Problemen, sei es ein Schaden in der Wohnung oder eine Krankheit. Bei Bedarf vermitteln sie die Ratsuchenden weiter. Beide helfen aktuell auch bei der Anmeldung für die Coronaimpfung und ersparen gerade Senioren Behördengänge, indem sie Anträge ausfüllen und online einreichen. Von dieser Unterstützung profitierte Elfriede Herzog, die in der Zeit ihres Umzugs unter Sprachproblemen litt und beim Gehen auf den Rollator angewiesen ist.

Darüber hinaus fördert die Wohnkooperation die Mehrgenerationennachbarschaft. Im Quartier gibt es drei Gemeinschaftsräume, wo - wenn es die Situation wieder zulässt - Yoga- oder Qigong-Kurse angeboten werden und sich eine Spielegruppe trifft. Die Wohnkoordination organisiert die Kurse, Quartiersbewohner können sich aber auch selbst einbringen und Aktivitäten auf die Beine stellen. Kindler-Koch und Birnbacher fungieren zudem als Kupplerinnen. Sie erfragen Hobbys und bringen zum Beispiel Karten- oder Schachspieler zusammen. Wer etwa PC-Kenntnisse hat, den regen sie an, sein Wissen der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen.

Die Wohnkoordination hat noch eine dritte Aufgabe. Sie leistet Gemeinwesenarbeit, damit das Quartier mit den Stadtteilen Riedenburg und Maxglan zusammenwächst. Es gibt zum Beispiel eine Verbindung zur Sportunion, die Aktivkurse anbietet, die auch für die Menschen im Umfeld des Quartiers offen sind.

Wohlgemerkt sind wegen Corona die Aktivitäten im Quartier komplett heruntergefahren. "Gerade die Senioren leiden sehr darunter", sagt Kindler-Koch. Sie und ihre Kollegin leisten deshalb derzeit viel Einzelfallarbeit. Regelmäßig rufen sie die Senioren des betreuten Wohnens an und erkundigen sich nach deren Wohlbefinden. Während im ersten Lockdown die Gespräche kurz waren, fallen sie aktuell länger aus. "Der Gesprächsbedarf nimmt zu, weil so viele soziale Kontakte wegbrechen", erzählt Kindler-Koch.

Die 74-jährige Rosemarie Neuper wäre gern unter Leuten. "Der Kaffeenachmittag mit rund zehn Leuten geht mir ab." Auch auf die Bastelstunde, die eine Nachbarin veranstaltet hat, muss sie verzichten. Was bleibt, sind Gespräche, wenn sie Bekannte beim Spazierengehen trifft.

Aufbauend ist für Neuper ihre Selbstständigkeit. Sie kauft selbst ein und kocht für sich, lediglich zum Putzen kommt jemand. "Es macht mir eine Freude, dass ich selbst noch was verrichten kann", sagt sie. Diese Sicherheit und Selbstbestimmtheit seien es, die durch Wohnkoordination so lang wie möglich erhalten bleiben sollten, sagt Barbara Wimmer-Stöllinger. "Das steigert die Wohnqualität."

Bild: SN/schnabler
Die beiden Miatrbeierinnen sind immer für mich da.
Rosemarie Neuper, Bewohnerin

Generell werde das Angebot der Wohnkoordination sehr gut angenommen, da es niederschwellig sei und wichtige Strukturen im Sozialraum schaffe. Die Förderung von Gemeinschaft und Vernetzung steht unter dem Motto "Privat, aber nicht einsam". Die Inanspruchnahme des Angebots ist freiwillig, keiner ist zur Teilnahme verpflichtet, nur weil er im Quartier wohnt. Wimmer-Stöllinger sieht darin einen entscheidenden Vorteil: "Auch freiwillige Netzwerke haben eine Verbindlichkeit, aber eine andere als verordnete Netzwerke."

Daten & Fakten Wohnkoordination

In Salzburg gibt es vier Quartiere mit Wohnkoordination durch die Diakonie: Rosa Zukunft, Lebenswelt Aigen, Freiraum Gneis und Quartier Riedenburg. Im Letzteren gibt es 316 Wohnungen, darunter 39 für betreutes Wohnen.
In Salzburg gibt es vier Quartiere mit Wohnkoordination durch die Diakonie: Rosa Zukunft, Lebenswelt Aigen, Freiraum Gneis und Quartier Riedenburg. Im Letzteren gibt es 316 Wohnungen, darunter 39 für betreutes Wohnen.
Die Wohnkoordination hilft bei Problemen jeglicher Natur. Sie will die nachbarschaftlichen Netzwerke, die gegenseitige Unterstützung der Quartiersbewohner und deren Kontakte untereinander fördern. Gleichzeitig organisiert sie generationenübergreifende und integrative
Aktivitäten und leistet Vernetzungsarbeit mit Einrichtungen im jeweiligen Stadtteil.