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Corona treibt Wandel im Handel

Das Virus verändert sogar die Form der Ladengestaltung. Wandel bei Nachfrage und Nutzung von Handelsflächen und Logistikobjekten.

Outletcenter haben nach der Krise rasch wieder Geschäfte gemacht.
Outletcenter haben nach der Krise rasch wieder Geschäfte gemacht.

Corona hat viel verändert und wird das noch weiter tun. Und zwar in vielen Lebensbereichen, unter anderem im Handel. "So hat der Onlinehandel sprunghaft Marktanteile gewonnen und wird sein Wachstum von diesem höheren Niveau fortsetzen", sagt Silvio Kirchmair, CEO Umdasch The Store Makers. Branchen, die etwa mit der Reisetätigkeit der Menschen zu tun hätten wie das Duty-Free-Geschäft und die eng verwobene Luxusgüterindustrie, würden auf längere Zeit beeinträchtigt sein, erwartet der Manager. Andere Branchen, insbesondere die Segmente Wohnen und Leben, seien in der Bedürfnispyramide der Menschen deutlich nach oben gestiegen. Die Aktionsradien der Konsumenten wurden kleiner und werden das auch vorläufig bleiben. So wird für das unmittelbare Umfeld wieder mehr Geld ausgegeben.

"Ergänzend erleben wir eine stärkere Regionalisierung: Kunden kaufen wieder lokaler ein. Innerhalb Europas geht dies sogar in Richtung eines neuen Nationalbewusstseins. Corona wirkte hier ganz klar als Trendbeschleuniger, während wichtige Megatrends wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz meiner Meinung nach kurzfristig an Relevanz verloren haben", betont Kirchmair. Nicht
zuletzt sei das Bedürfnis nach Sicherheit gestiegen. "Die Frage unserer Kunden lautet daher oftmals, wie das Einkaufserlebnis trotz Abstand und Masken bewahrt oder sogar gesteigert werden kann."

Corona als Trendbeschleuniger?

"Man muss ganz klar zwischen kurzfristigen Trendverschiebungen und langfristigen Veränderungen durch Covid-19 unterscheiden", sagt der Experte: "Nachhaltigkeitsaspekte sind für manche Konsumenten und Händler zurzeit nachrangig, werden aber mit Sicherheit bald wieder höhere Bedeutung erlangen. Ähnliche Entwicklungen sehe ich bei digitalen Lösungen am Point-of-Sale: Investitionen in digitale Erlebnisse in Stores sind für die künftige Customer Experience unerlässlich." Befeuert würden zusätzlich alle Prozesse, die dem Personal mehr Zeit für ihre Hauptaufgabe, die Beratung und den Verkauf, geben. "Wir sehen eine noch stärkere Bewegung hin zu Electronic Shelf Labeling (ESL) und technischer Automatisierung für jene Prozesse, die im Hintergrund der Stores laufen. Kurz gesagt: Automatisierung kommt zurzeit vor Atmosphäre."

Geschäftseinrichtungen im Wandel

"Einheitliche Store-Rollouts über Regionen und Länder nehmen ab", weiß Kirchmair. Einerseits wegen der fehlenden Investitionsbereitschaft, andererseits, weil das Ladenbild an das Lokalkolorit angepasst werden soll. "Und es sind ganz neue Themen dazugekommen: etwa Kleidung, die nach der Anprobe desinfiziert werden muss. Die Umkleidekabinen gewinnen an Bedeutung, sowohl was die Fläche als auch die Technologie betrifft." Auch Kundenstrom-Managementsysteme verhelfen zu einem Sicherheitsgefühl beim Einkaufserlebnis und bieten einen Mehrwert durch individuelle Werbebotschaften. Und letztlich sind es so "banale" Notwendigkeiten wie Desinfektionsstationen für die Kunden, die das Aussehen und die Einrichtung von Geschäften verändern.

Auswirkungen von Corona auf die Geschäfte

Die Coronapandemie und der von den Behörden verordnete Lockdown führte in nahezu allen europäischen Ländern zur Schließung sämtlicher Geschäfte, die nicht zur Grundversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und anderen kurzfristigen Bedarfsgütern unbedingt erforderlich waren. Dies hat mit Ausnahme des Lebensmittelhandels fast den gesamten Einzelhandel getroffen, ganz unabhängig von der Standortlage oder ob in einem Shoppingcenter oder Fachmarktzentrum eingemietet. Ganz besonders aber waren die Outletcenter betroffen, deren Schwerpunkt das Modeangebot bildet und in denen üblicherweise keine Lebensmittel- oder Drogeriemärkte vorhanden sind. Damit waren die Outletcenter über mehrere Wochen komplett geschlossen.

Seit der Wiedereröffnung zeigt sich ein eindeutiger Trend: Die Outletcenter haben sich sehr viel schneller wieder den Vorjahreswerten an Frequenz und Umsatz angenähert als Shoppingcenter oder innerstädtische Geschäftslagen. "Während die meisten Einkaufszentren noch nicht einmal bei 70 Prozent des Vorjahres angekommen sind, liegen uns Informationen vor, dass die meisten Outletcenter den Vergleichswert des Vorjahresmonats bereits erreicht haben. Manche liegen sogar schon bei über 100 Prozent", erklärt Joachim Will, Geschäftsführer des Wiesbadner Forschungsinstituts ecostra. Dabei tobt die Rabattschlacht im innerstädtischen Einzelhandel sogar noch stärker als in den Schnäppchentempeln auf der grünen Wiese. Will: "Die unverkaufte Frühjahrsware und der wirtschaftliche Druck zur Verbesserung der Liquidität hat dazu geführt, dass alle Schwüre, bei der Rabattierung Zurückhaltung zu üben, schnell Makulatur wurden."

Die Zahl der Outletcenter in Europa und deren Verkaufsfläche ist auch in den vergangenen zwölf Monaten wieder kräftig gewachsen. Wie die jährlich von ecostra im Rahmen der Marktbeobachtung vorgenommene Auswertung der Standortdaten für alle europäischen Länder zeigt, gibt es dort zwischenzeitlich 188 in Betrieb befindliche Outletcenter (plus sieben gegenüber dem Vorjahr), die eine gesamte Verkaufsfläche von knapp 3,1 Millionen Quadratmeter auf sich vereinen. Die meisten dieser Center befinden sich im Vereinigten Königreich (37), gefolgt von Italien (26), Frankreich (23), Spanien (18), Deutschland (16) und Polen (14). Outlet-Standorte wurden in letzter Zeit unter anderem in Finnland, in Italien und in Deutschland neu eröffnet. Gleich zwei neue Center starteten im vergangenen Jahr in Russland. Diverse andere Center haben in dieser Zeit zudem Flächenerweiterungen und Refurbishments durchgeführt.

Auch der Transaktionsmarkt hat 2019 wieder Fahrt aufgenommen, nachdem im Jahr 2018 in ganz Europa noch Outletcenter mit einem Volumen von zusammen nur 251 Mill. Euro den Besitzer wechselten. Will: "Dieses Transaktionsvolumen hat sich 2019 verdreifacht und liegt nun bei 750 Mill. Euro, was aber im Vergleich zu den Transaktionsvolumina im europäischen Shoppingcenter-Markt immer noch eine Marginalie bildet."

Welche Folgen hat die Coronapandemie noch auf die heimischen Handelsimmobilien?

Neben den klassischen Verbrauchsgütern, Elektronik und Heimwerkerartikeln haben vor allem der Online- und Lebensmittelhandel während der Coronakrise einen Boom erlebt. "Die Nachfrage dieser Branchen hat sich in der Coronakrise und während des Lockdowns noch verstärkt und für einen Anstieg des kurz- bis mittelfristigen Flächenbedarfs gesorgt. Gesucht werden vor allem Flächen in der Nähe von Ballungszentren", weiß Franz Kastner, Associate Director Industrial & Logistics bei CBRE.

Im Jahr 2019 wurden rund 500 Mill. Euro in Logistikimmobilien in Österreich investiert. "Dieses Volumen wird im Jahr 2020 voraussichtlich nicht erreicht werden, allerdings wird der Anteil der Logistikimmobilien am Gesamtinvestmentvolumen hoch bleiben", prognostiziert Kastner, was auch am Bedarf des Digitalhandels liegt. Im ersten Halbjahr 2020 gingen 16 Prozent des Investmentvolumens in Österreich in Logistikimmobilien, wobei 54 Prozent beziehungsweise 46 Prozent von deutschen und österreichischen Investoren aufgebracht wurden.

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