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"Nachhaltigkeit ist ein Imperativ"

Alexander Passer ist Inhaber der neuen Professur "Nachhaltiges Bauen" an der TU Graz. Im Fokus stehen künftig die lebenszyklusbasierte Nachhaltigkeitsbewertung sowie emissionsarme, klimarobuste Bauweisen.

Alexander Passer hat die neue Stiftungsprofessur „Nachhaltiges Bauen“ inne.
Alexander Passer hat die neue Stiftungsprofessur „Nachhaltiges Bauen“ inne.

Der Bauingenieur Alexander Passer beschäftigt sich seit Langem intensiv mit dem Thema der Nachhaltigkeit im Bauwesen. Er leitet die "Arbeitsgruppe Nachhaltiges Bauen" an der TU Graz, ist wissenschaftlicher Leiter des Universitätslehrgangs "Nachhaltiges Bauen" der Technischen Universitäten Graz und Wien und Vorstandsmitglied des Climate Change Centre Austria (CCCA). Diese Auseinandersetzung intensiviert sich nun noch weiter: Seit 22. Jänner dieses Jahres hat Alexander Passer die neu eingerichtete Professur "Nachhaltiges Bauen" an der TU Graz übernommen. Schwerpunktthemen des Bereichs sind die Klimaneutralität im Bauwesen, die Modellierung des Gebäudelebenszyklus und Methoden der lebenszyklusbasierten Nachhaltigkeitsbewertung.

Professur ist ein wichtiger Impuls für nachhaltiges Bauen

"Der Bausektor birgt als großer Einzelverursacher von Treibhausgasen enormes Potenzial im Kampf gegen die Klimakrise", erklärt der Rektor der TU Graz, Harald Kainz. "Das ist einer der Bereiche, in denen wir das Ruder unbedingt herumreißen müssen. Die Einrichtung der Stiftungsprofessur für nachhaltiges Bauen und die Besetzung mit Alexander Passer werden starke und wichtige Impulse für nachhaltiges Bauen in Forschung, Lehre und Baupraxis geben." Finanziert wurde die neue Professur vom Fachverband der Stein- und keramischen Industrie für die Dauer von drei Jahren - mit einer Option auf Verlängerung. "Die Etablierung des wissenschaftlichen Fachs ,Nachhaltiges Bauen' schafft aus unserer Sicht ideale Voraussetzungen für die Entwicklung von praxisnahen nachhaltigen Bauweisen, Bewertungsmethoden und neuen Modellen", erklärt Robert Schmid, Obmann des Fachverbands Steine-Keramik. "Wir sind sehr glücklich, mit Alexander Passer einen international anerkannten Fachmann gewonnen zu haben, und freuen uns auf die Zusammenarbeit mit ihm." Die Einrichtung der Stiftungsprofessur soll auch die Nachhaltigkeit von Gebäuden als eigenständige wissenschaftliche Disziplin stärken und als zentrale Anlaufstelle für die Baustoff- und Bauindustrie fungieren.

Zusammenarbeit mit Unis und Forschungseinrichtungen

Darüber hinaus positioniert sich Passer auch als strategischer Partner für renommierte nationale und internationale Universitäten und Forschungseinrichtungen. Ein inhaltlicher Schwerpunkt ist die Weiterentwicklung und praxisgerechte Aufbereitung der Ökobilanzierung. Diese ist ein Instrument für den rechnerischen Nachweis der Umweltwirkungen eines Gebäudes über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg. Zudem soll die Umsetzung von nahezu emissionsfreien und klimarobusten Bauweisen weiter forciert werden. Dafür sollen auf Basis wissenschaftlicher Grundlagenforschung konkrete Wege zur Erreichung der Klimaneutralität im Bauwesen, innovative Baustoffe und Baumethoden sowie entsprechende Bewertungswerkzeuge zur Unterstützung des Bausektors entwickelt werden.

"Zu komplex für Einzelgänger"

Rund 40 Prozent des EU-weiten Energieverbrauchs und etwa 36 Prozent der CO2-Emissionen können dem Bausektor zugerechnet werden. Gebäude und Infrastrukturbauwerke sind damit die größten Einzelverursacher von Treibhausgasen. Unter dem Begriff "Nachhaltiges Bauen" wird seit zwei Jahrzehnten versucht, die Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung auf das Bauwesen anzuwenden: Bauwerke sollen ganzheitlich und aus der Lebenszyklusperspektive betrachtet, geplant, errichtet und betrieben werden. Das Ziel ist, keine Altlasten für künftige Generationen zu hinterlassen, sondern vielmehr einen Mehrwert.
"Das rechtsverbindliche Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2050, das im europäischen Green Deal festgehalten ist, führt zu einer verstärkten Nachfrage nach innovativen und klimaschonenden Baustoffen und Bauweisen. Gleichzeitig wird es zunehmend komplexer, die einzelnen, zahlreichen Aktivitäten zu überblicken, um das Ziel zu erreichen", sagt der neue Stiftungsprofessor Alexander Passer. In der täglichen Baupraxis zeige sich, dass die Umsetzung des nachhaltigen Bauens noch auf Hürden und ungelöste Probleme stößt.

Fachübergreifende Bündelung aller Kräfte im Baubereich

"Nachhaltigkeit ist ein Imperativ, der ganzheitliches Denken verlangt", sagt Passer. Er meint damit auch die fachübergreifende Bündelung aller Kräfte von Architektur und Ingenieursbau bis hin zu Material- und Energieforschung. "Biodiversität und Landverbrauch sind ebenso mitzudenken wie die Umweltverträglichkeit der Baustoffe und der Energieverbrauch der Gebäude", umreißt Passer die Dimension des Themas. Umso wichtiger ist in seinen Augen, dass die Professur nicht von einem einzelnen Unternehmen gestiftet wurde, sondern vom Fachverband der Stein- und keramischen Industrie. Die über 300 Fachverbandsmitglieder sind Unternehmen aus vielfältigen Industriesparten des Baustoffsektors. Darunter sind Hersteller von Naturstein-, Ton- und Gipsprodukten, aber auch die Zement-, Beton- und Ziegelindustrie. "Die Herausforderungen, die mit der Klimakrise einhergehen, sind eindeutig zu komplex für Einzelgänger. Es braucht Lösungen für die gesamte Wertschöpfungskette im Bauwesen", so Passer.

Neue Lösungen für die Baupraxis

Passer wird künftig in den Fakultäten für Architektur sowie für Bauingenieurwissenschaften in Forschung und Lehre wirken. Angesiedelt ist die Stiftungsprofessur am Institut für Tragwerksentwurf (ITE) der Architekturfakultät der TU Graz. Stefan Peters, Leiter des Instituts, erwartet mit dem erweiterten Team des Instituts einen deutlichen Schub in der Entwicklung neuer Lösungen für die tägliche Baupraxis: "Für die Errichtung von Baukonstruktionen werden in naher Zukunft neue Planungs-, Bewertungs- und Baumethoden zur Anwendung kommen müssen, um die auf europäischer Ebene vereinbarten Klimaziele zu erreichen. Das Institut für Tragwerksentwurf verbindet hier theoretische und experimentelle Forschung in enger Kooperation mit der Bau- und Baustoffindustrie."